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Broschüre „Der Informationskrieg“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro 21. April 2000


Propaganda und Krieg
„Es wird nie soviel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ (Bismarck)

Der Krieg gegen Jugoslawien begann mit einer Lüge: „Wir führen keinen Krieg“ ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 in seiner Regierungserklärung die Nation wissen, vielmehr handele es sich um eine „Militäraktion“ oder nach Nato-Jargon um eine „Luftkampagne“. Die von Regierungsvertretern, PR-Agenturen und Pressestellen der kriegführenden Nato-Verbündeten zum Zweck der Kriegslegitimierung kreierten und über die Massenmedien gestreuten Begriffe wie der der „humanitären Intervention“ gaben ganz nach dem Motto „Wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg“ den deutlichen Hinweis: Es wird Krieg geführt – in diesem Falle gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zugleich handelte es sich um einen „(Des)Informationskrieg“ an der „Heimatfront“. Diese Seite des Krieges haben wir als Nachrichtenkonsumenten und Konsumentinnen eindrucksvoll erfahren müssen. Auf nahezu allen Fernsehkanälen die gleichen Bilder, im Radio die gleichen Stimmen und in den Kommentaren der Tagespresse sich wiederholendes Vokabular und auffallend ähnliche Meinungen zur Notwendigkeit der Bombardierungen.

Eine Verschwörung? Gleichschaltung? Staatliche Zensur? Oder einfach nur die bekannte Ignoranz und Oberflächlichkeit der meinungsbildenden Medienindustrie?


Die Brutkastenlüge

Waren es bei der Destabilisierung von missliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen Irak eine der größten PR-Agentur in den USA unter Vertrag genommen. Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Millionen Dollar startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die „Befreiung“ Kuwaits. Höhepunkt der in der Geschichte wohl erfolgreichsten PR-Kampagne war eine gezielte Lüge, die von der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung gestreut wurde. Am 10. Oktober 1990 schilderte vor dem Menschenrechtsausschuß des US-Kongresses die 15-jährige Kuwaiterin Nayirah unter Tränen die Gräueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen seien entwendet worden. Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass u.a. Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte – ai dementierte diese Angabe später. Präsident Bush griff die Gräuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war.

Im Januar 1992 wurde die Identität der jungen Zeugin enthüllt – es handelte sich um die Tochter von Saud Nasir al-Sabah, dem kuwaitischen Botschafter in den USA. Das Mädchen war von Hill & Knowlton professionell als Zeugin aufgebaut worden. Präsident der PR-Agentur war Craig Fuller, Bush-Anhänger und dessen ehemaliger Stabschef. Weitere Untersuchungen ergaben, dass kuwaitische Ärzte offensichtlich gelogen hatten und die vorgeblich entwendeten Brutkästen an ihren Plätzen standen. Des weiteren wurde recherchiert, dass Untersuchungen stattgefunden hatten, mit deren Hilfe ermittelt worden war, welche Meldungen Menschen besonders erregte. Ergebnis war, dass die befragte Bevölkerungsgruppe sehr heftig auf Baby-Gräuel reagiert hatte. Die Propagandalüge war 1992 widerlegt, der Krieg aber bereits Vergangenheit. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Covert Action Quarterly“ (CAQ) vom 26.Februar 1998 bestehen auch zwischen der Clinton-Administration und H&K engste Verbindungen. Die früheren H&K-Köpfe Howard Paster und Lauri Fitz-Pegado arbeiten im Stab von Clinton, und der frühere Mitarbeiter des Weißen Hauses, Thomas Hoog, ist nun Leiter des Washingtoner Büros von H&K. Auch zur CIA pflegt H&K einen regen Austausch. Insbesondere Robert Keith Gray, der das H&K-Büro in Washington aufbaute und über 30 Jahre leitete hatte, verfügt laut „CAQ“ über beste Kontakte zur Führungsebene des Geheimdienstes. [1]


Ruder Finn in Jugoslawien

Als 1992 die Brutkastenlüge publik wurde und mensch denken mochte, „gebranntes Kind (d.h. in diesem Fall Journalisten und Journalistinnen) scheut das Feuer“, war bereits eine andere PR-Agentur damit betraut, das Image Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und der kosovarischen Opposition zu fördern und die serbische Position in Misskredit zu bringen.

Der Direktor von Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, erklärte in einem Interview, wie seine PR-Agentur diesen Auftrag anging:

„Das ist ganz einfach. Unser Arbeitsgerät besteht im wesentlichen aus einer Kartei, einem Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen Hundert Journalisten, Politikern, Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen.“

Als den größten Erfolg ihrer Kampagne beschreibt er:

„Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen.“

Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus in Kroatien und Bosnien nicht nur ein historisches Phänomen ist, sondern vertreten durch den ehemaligen Präsidenten Tudjman und Izetbegovic auch im heutigen politischen Diskurs prägend ist, war dies keine leichte Aufgabe.

„Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker 'Newsday' die Sache mit den Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit d en Nazis gleichsetzen.“

Und James Harff fährt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie „ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt.“ [2]

Die Aktivitäten Ruder Finn’s in der Republik Bosnien-Herzegowina umfaßten unter anderem:

  • die Einrichtung eines „Bosnia Crisis Communication Center“ im Büro von Ruder Finn mit Kontakten zu amerikanischen, englischen und französischen Medien
  • die Ausarbeitung eines in sich stimmigen Paketes von Aussagen und Botschaften, die in Gesprächen angewendet und ständig wiederholt werden sollten
  • den Aufbau eines Fax-Netzes für internationale Bosnien-Berater. Zu dem Netz von Kontakten, das Ruder Finn gelegt hat, gehörten auch humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen
  • die Formulierung und Platzierung von Leitartikeln in „New York Times“, „Washington Post“, „USA Today“ und „Wall Street Journal“.
Für die Propagandakampagne zur Unterstützung der Separationsbestrebungen des Kosovo konnte Ruder Finn somit auf reichhaltige Erfahrung und Vorarbeit zurückgreifen. Die Agentur organisierte 1995 zwei Delegationen mit US-Kongressabgeordneten in den Kosovo und vier Reisen Rugovas in die USA, wo er u.a. auf Cristopher, Albright und Al Gore traf. Unterstützt wurde die Kampagne von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem Mittleren Westen, wo die jeweiligen Kongressabgeordneten für die albanischen Bestrebungen gewonnen wurden. Über 300 Kongressabgeordnete, ausländische Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen wurden von Ruder Finn mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung versorgt – selbstredend ausschließlich aus der Sicht der Kosovo-Albaner. Als ihren Erfolg verbuchte Ruder Finn, das bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über 250 Artikel erschienen und 43 Interviews im nationalen und internationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass nach einer Untersuchung von Wm. Dorich vom 16. Februar 1999 in den letzten sieben Jahren etwa 8000 Artikel über Bosnien und Kosovo in der Los Angeles Times veröffentlicht wurden, wovon nicht einer dieser Artikel von einem serbischen Journalisten, Autor oder politischem Führer stammte. Dr. Alex Dragnich, ein serbischer Gelehrter, Autor von acht Büchern über die Geschichte und Politik des Balkan und früherer Kulturattaché der US-amerikanischen Botschaft in Belgrad, reichte seit 1992 zweiundvierzig Artikel bei der „New York Times“ ein, nicht einer erschien. Auf der anderen Seite wurden Serben öffentlich als „mörderische Arschlöcher“ (Richard Holbrooke), als „ungebildet und degeneriert“ (SeNator Biden) oder als „Schweine“ (Kongressabgeordneter Obey) bezeichnet.


Von „faschistischer Propaganda“ zu demokratischer „Operativer Information“

Die Bedeutung der Herrschaft über Informationen – insbesondere in Vorbereitung und Einstimmung auf kriegerische Aktionen – erklärte Adolf Hitler am 10. November 1938, als die Synagogen noch brannten, vor der deutschen Presse:

„Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: Wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen.“

Nun verfügen weder die USA noch die BRD über ein institutionalisiertes Propagandaministerium. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass der Informationspolitik weiterhin und in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt wird. So ist nach Meinung der Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen die militärischpolitische Informations-Intervention nie zuvor so vielschichtig und umfassend, so aggressiv und effektiv wie während dieses Krieges gewesen. [3]

Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, dass der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten entgegengewirkt werden muss, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert werden könne. Neben umfassenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen schlug der Public Relations-Spezialist der US-Marine, Arthur A. Humphries, 1983 vor, die Medien gezielter in der Kriegsführung einzuplanen:

„Die Nachrichtenmedien können in der psychologischen Kriegsführung ein nützliches Werkzeug, ja sogar eine Waffe sein, die den Soldaten den Einsatz ihrer schweren Waffen erspart.“

Sah Humphries die Medien noch als nützliches Werkzeug, so erklärte Nato-Sprecher Jamie Shea Journalisten bereits zu Soldaten:

„Kosovo war der erste Medienkrieg. (...) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig war. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen.“ [4]

Kriegsminister Scharping behandelte JournalistInnen ganz im Sinne Sheas wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos „genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität“, erläutert Albrecht Reinhardt, Chef der Programmgruppe Ausland des WDR. Diese neue Qualität der Propaganda ist integraler Bestandteil psychologischer Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr „Truppe für Operative Information“ (OpInfo). Scharping als Kriegsminister und damit oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist:

„Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen.“ [5]

Wie journalistischer Opportunismus an der „Heimatfront“ geschaffen wurde und funktionierte, wurde z.B. auf der Pressekonferenz des Bundesministers Scharping am 16. April 1999 vorgeführt:

„Welche Konsequenzen sind denn aus der Panne von vorgestern gezogen worden?“, fragte dort ein Journalist. Mit der „Panne“ war die Nato-Bombardierung eines Flüchtlingstrecks gemeint – die Toten fanden in derlei Fallen keinerlei Erwähnung, vielmehr vermutete einer der anwesenden Journalisten hinter den Fernsehbildern ein serbisches Machwerk, als er fragte:

„Heißt das dann nicht, dass hier von Seiten der Serben Propaganda gemacht wird, Herr Minister?“

Doch so einfach konnte die Wahrheit in diesem Fall nicht verdreht werden, und auf die Frage, ob die Kriegszustimmung in der Öffentlichkeit durch Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung nicht in Gefahr gerate, antwortete Scharping:

„Ich würde sie bitten, in einer Frage nicht eine Feststellung zu verstecken, die zur Zeit niemand wirklich genau verifizieren kann. (...) Ich finde, wir sollten da alle etwas vorsichtiger sein und deshalb auch, weil wir es hier mit einer Propagandamaschinerie zu tun haben, die ihre Funktionstüchtigkeit und ihre absolute Unwahrhaftigkeit gleichermaßen schon einige Male unter Beweis gestellt hat. (...) Ich weiß um die Wirksamkeit von solchen Bildern, und vor diesem Hintergrund, so tragisch das Ganze ist, solange es nicht vollständig aufgeklärt ist, denke ich, sollten wir vorsichtig damit umgehen.“

Ein sehr guter Rat des Ministers, den er selbst wenige Minuten zuvor Punkt für Punkt mit wilden Gerüchten über angebliche Gräueltaten der Jugoslawischen Armee ad absurdum geführt hatte. Im Zusammenhang mit Aufklärungsfotos schilderte Scharping den versammelten Journalisten und Journalistinnen Vorgänge, „die für einen normalen menschlichen Kopf extrem schwierig auszuhalten sind. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können sie sich vorstellen, dass sich da einem der Magen umdreht.“ [6]

Diese an die Brutkastenlüge erinnernde Geschichte beruhte, wie Scharping selbst betonte, auf ungeprüften Erzählungen. Ebenso ungeprüft wurde insbesondere von Außenminister Fischer das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 als Greueltat der Serben in die Öffentlichkeit getragen. Er habe sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei „das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe“, erklärte vor laufenden Kameras William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute. Die Tagesthemen vom 23. März 2000 fragten dementsprechend kritisch nach Beweisen für die Ermordung von 45 albanischen Zivilisten. Nach den Informationen der Tagesthemen ließen die Autopsieberichte des finnischen Pathologenteams die Version eines Massakers nicht zu. Währenddessen empfing William Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten „Walker, Walker“-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft. [7]

Der oben bereits zitierter PR-Profi James Harff erklärt den Sinn von Greuel- und Horrormeldungen:

„Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. (...) Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. (...) Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen. Und selbst wenn es darum ginge, hätten wir ein ruhiges Gewissen. Denn sollten sie beweisen wollen, dass die Serben arme Opfer sind, dann versuchen sie es mal, sie werden damit ziemlich allein stehen.“

Womit Harff vollständig Recht behielt. Nur wenige JournalistInnen hielten es während der regelmäßigen Pressekonferenzen für nötig, nach präziseren Informationen zu fragen. Der antiserbische Mainstream bestimmte das Verhalten, und zuzutrauen ist den Serben ja alles.

Albrecht Reinhardt vom WDR resümiert:

„In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (...) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert.“ [8]

Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde noch bekräftigt durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformation.

Die JournalistInnen fungierten in der Propagandamaschinerie primär nicht als die „Fälscher“ von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von KriegsgegnerInnen fanden keinerlei Niederschlag in den Medien, es wurde vielmehr der Abgesang der Friedensbewegung attestiert.

Über die größte Erfahrung im Bereich psychologischer Kriegsführung verfügen sicherlich die USA. Aber auch in der BRD wird wissenschaftlich an diesem Thema gearbeitet. Die Industrie- und Anlagenberatungsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn versteht sich als Think Tank und TÜV für Informations- sowie Waffensysteme. 50 Prozent der Aufträge erhält der Betrieb mit seinen 13 000 MitarbeiterInnen von militärischer Seite. In einem Interview im November 1998 beschreibt Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation der IABG, den Zielbereich von Informationspolitik:

„Das Ziel ist, dass man überlegene Informationen in Konflikten in allen Bereichen hat, und da spielt natürlich nicht nur die Information, die mit Hilfe der Technik gewonnen wird, eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der psychologischen Lage des Kontrahenten und die Einflussnahme auf die Einschätzung der Situation durch die interessierte Öffentlichkeit. Das heißt, Information Warfare ist sehr stark ein Phänomen, das auch auf die psychologische Ebene zielt. Neben den technischen Einwirkungen sind also die Einwirkungen direkt auf die Psyche des Menschen, also das, was man früher als psychologische Kriegsführung und Propaganda bezeichnet hat, bedeutend.“ [9]

Dass wir es auch zukünftig mit einer vermutlich noch subtileren Propaganda zu tun haben werden, kündigte General a.D. Klaus Naumann in einem Beitrag in der Ausgabe 11/1999 der „Truppenpraxis“ an: „Aber es ist ja wohl richtig, dass wir nach einem solchen Konflikt feststellen: Das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen.“

Es bleibt festzuhalten:
  • Desinformationspolitik und psychologische Kriegsführung, beim Kriegsgegner Propaganda genannt, ist integraler Bestandteil von Kriegsführung.
  • Sie diente im Krieg gegen Jugoslawien der Kaschierung der tatsächlichen Kriegsinteressen.
  • Das Spektrum der (Des)Informationen reicht von frei erfundenen Lügen bis zu partiellen, d.h. völlig einseitigen Wahrheiten.
  • Diese zielen direkt auf die Bevölkerung. Die Bevölkerung der BRD musste den Krieg zunächst als unumgänglich akzeptieren oder sogar nachdrücklich fordern, um für den dritten deutschen Waffengang gegen Jugoslawien ein ruhiges Hinterland zu gewährleisten.
  • Ihre Wirkung erzielt Information Warfare insbesondere durch das Wecken von Emotionen.
  • Im Zentrum der deutschen Propaganda standen die infamen Analogien der jugoslawischen Politik mit dem deutschen Faschismus.
Fußnoten:

  1. vgl.: Covert Action Quarterly; 26. Februar 1998 [back]
  2. Merlino, Jacques: Da haben wir voll ins Schwarze getroffen. In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien, Edition Tiamat 1994, S. 153 ff [back]
  3. vgl.: Claßen, Elvi: In ami Nr. 10, 1998 [back]
  4. „Der Krieg und ein fauler Frieden“; ARD-Dokumentation 29.10.99 und „Spiegel“ Nr.: 2/2000 [back]
  5. Europäische Sicherheit; Juli '99 [back]
  6. zit. nach: www.bundeswehr.de/kosovo/pk_t_990416.htm [back]
  7. vgl. Jungle World Nr. 46, 10. November 1999 [back]
  8. Menschen machen Medien, Zeitschrift der IG Medien; Nr. 7 Juli 1999 [back]
  9. Gegeninformationsbüro: Infowar Textsammlung Infowar und Kriegsstrategie der Bundeswehr [back]
 21. April 2000