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Broschüre „Der Informationskrieg“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro 21. April 2000


Kosovo-Chronologie
Zeittafel von 1941 bis 1999

6. April 1941
Hitler überfällt ohne Kriegserklärung Jugoslawien. Serbien und der Norden des Kosovo werden unter deutsche Militärverwaltung gestellt. Die Mitte und der Süden des Kosovo kommen zu Albanien, das 1939 nach seiner Eroberung durch das faschistische Italien Mussolinis ein italienisches Protektorat geworden war. So entsteht am 12. August 1941 ein italienisch beherrschtes „Großalbanien“. Das mit Deutschland verbündete Bulgarien besetzt die östlichen Gebiete des Kosovo.

1943
Mussolini wird vorübergehend gefangen genommen. Der italienische König erklärt Deutschland den Krieg. „Großalbanien“, also Albanien und der größte Teil des Kosovo, wird nun von Deutschland besetzt. Ministerpräsident und Innenminister dieses Nazi-Vasallenstaats werden zwei Politiker aus dem Kosovo.

April 1941 bis Oktober 1944
Faschistische kosovo-albanische Milizen, „Balli Kombetar“ oder „Ballisten“ („Nationale Front“) genannt, kollaborieren mit der italienischen Besatzungsmacht und kämpfen für ein „völkisches“, d.h. „ethnisch reines“ Großalbanien.

Als 1943 die deutsche Besatzung die italienische Besatzung ablöst, unterstellen sie sich der SS. Die Ballisten verfolgen und töten zahlreiche SerbenInnen, MontenegrinerInnen, Juden, Jüdinnen und Roma, die im Kosovo leben. Dadurch wird die Minderheitsposition der Serben im Kosovo verstärkt. (1939 lag der Bevölkerungsanteil der Kosovo-Albaner erst bei 60 Prozent und der der Serben und anderen Minderheiten noch bei 40 Prozent.)

September bis Oktober 1944
Kommunistische Partisanen und die Rote Armee der Sowjetunion zwingen die deutschen Truppen zum Rückzug aus Jugoslawien. Am 22. Oktober 1944 wird Belgrad befreit, aber deutsche Truppen stehen zu dieser Zeit noch im Kosovo, in Bosnien, in Kroatien und in Slowenien.

1945
Aus dem Partisanenkrieg gegen die Nazi-Besatzer sind zwei kommunistische Partisanenführer hervorgegangen, der Kroate Tito und der Albaner Enver Hodscha. Nach der Niederlage der Deutschen in Jugoslawien im Oktober 1944 übernehmen aber nicht die Tito-Partisanen im Kosovo die Macht, sondern die Ballisten, weil sie einen starken Rückhalt in der Bevölkerung haben. Tito stellt mit militärischer Unterstützung Enver Hodschas das Kosovo im Frühjahr 1945 unter die Militärverwaltung der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee. Erst im Juli 1945 sind die Ballisten besiegt. Die Militärverwaltung wird wieder aufgehoben. Die Ballisten kämpfen aber noch längere Zeit als Partisanen weiter.

6. März 1945
Das „Nationalkomitee der Befreiung Jugoslawiens“ beschließt, dass die aus dem Kosovo geflüchteten/ vertriebenen Serben nicht dorthin zurückkehren dürfen. Dadurch sollen mögliche Racheakte vermieden werden, die die Idee der „Einheit und Brüderlichkeit“ in Jugoslawien gefährden würden. Das Nationalkomitee will aber auch dem inzwischen ebenfalls von den kommunistischen Partisanen eroberten Albanien entgegenkommen, das für eine „Balkanföderation“ (s.u.) gewonnen werden soll. Die von den Ballisten erzwungene albanische Mehrheitsposition im Kosovo bleibt also erhalten.

1946
Tito plant eine Balkanföderation mit Albanien, Bulgarien und, wenn möglich, mit Griechenland. Das Hauptmotiv ist, alle ethnischen Konflikte zu entschärfen, speziell die Konfliktherde Kosovo und Mazedonien. Stalin sieht in der Balkanföderation jedoch eine Bedrohung des sowjetischen Führungsanspruchs im Ostblock und lehnt ab.

30. Januar 1946
Verabschiedung der Verfassung Jugoslawiens. Sie teilt das Land in sechs Republiken (Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien) und zwei zur Republik Serbien gehörende autonome Gebiete (Vojvodina, Kosovo) ein.

1946 bis 1990
Albanien bleibt unter Enver Hodscha zunächst der Sowjetunion unter Stalin eng verbunden. Hodscha wirft Tito folgendes vor: a) Revisionismus, d.h. Verrat am Marxismus b) den Plan, Albanien mit Hilfe der Balkanföderation dominieren zu wollen. Umgekehrt hat Hodscha eine starke nationalistische Komponente, d.h. den Anspruch, alle Albaner, auch die des Kosovo, zu Albanien zu bringen. Später, nach Stalins Tod 1953, bezeichnet er auch dessen Nachfolger Chruschtschow als Revisionisten und wirft ihm vor, Albanien innerhalb des Ostblocks zum „Zitronenland“ machen zu wollen, d.h. ohne Entwicklung der Industrie. Enver Hodscha schließt deshalb Albanien nach dem Abbruch der Beziehungen zur Sowjetunion (1961) an Mao Tse Tungs China der „Kulturrevolution“ an. Als sich die chinesische Außenpolitik gegenüber den USA öffnet, und als nach Maos Tod (1976) seine innerparteilichen Gegenspieler an die Macht kommen, die (bis heute) in China den Kapitalismus restaurieren, zerbricht auch diese Verbindung. China zieht – wie zuvor die Sowjetunion – sofort seine Techniker aus Albanien ab. Eine erneute Wirtschaftskrise und die vollkommene außenpolitische Isolation Albaniens ist die Folge.

1948
Jugoslawien wird aus dem Kominform ausgeschlossen. Tito versucht, das Kosovo-Problem mit wirtschaftlichen Mitteln zu lösen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es in Jugoslawien noch aus der Zeit vor 1918 ein starkes wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle gibt. In der Habsburger Zeit wurden Slowenien und Kroatien teilindustrialisiert. Im Süden Jugoslawiens herrscht dagegen die agrarische Subsistenzwirtschaft vor. Deshalb werden anfangs die Investitionen stark auf den Süden konzentriert.

1949
Wegen der Wirtschaftblockade des Ostblocks schließt Tito mehrere Handelsabkommen mit westlichen Ländern ab.

1950
Einführung des „Selbstverwaltungssozialismus“ (ArbeiterInnenräte wählen u.a. die Betriebsleitung).

1952
US-Finanz-und Militär-„hilfe“ für Jugoslawien.

1953
Zehnjahresplan für die Landwirtschaft. Unter anderem wird die begonnene Kollektivierung der Landwirtschaft rückgängig gemacht.

Im Kosovo liegt der Bevölkerungsanteil der Kosovo-Albaner jetzt bei 65 Prozent, der der Serben bei 24 Prozent. Andere Minderheiten machen elf Prozent aus. 35 Prozent der Bevölkerung sind also keine Albaner.

1954
Spannungen mit Albanien wegen des Kosovo.

1956
Beginn der Politik der „Blockfreiheit“ zusammen mit Ägypten (Nasser) und Indien (Nehru).

1962
US-Kredite für Jugoslawien

60er Jahre
65 Prozent des Geldes aus dem „Bundesentwicklungsfonds“ Jugoslawiens, in den die wirtschaftlich stärkeren Republiken Slowenien und Kroatien einen Teil ihrer Einnahmen zur Förderung der unterentwickelten Gebiete einzahlen, fließen in das Kosovo.

60er und 70er Jahre
Jugoslawien nimmt zwecks Industrialisierung zunehmend Kredite aus dem Westen auf. Das meiste Geld fließt nach Slowenien und Kroatien.

Mitte 60er Jahre
Wirtschaftskrise. Erste separatistische Kundgebungen in Kroatien und im Kosovo. Die Zusammenstöße zwischen Kosovo-Albanern und Serben im Kosovo nehmen zu.

70er Jahre
Steigender Lebensstandard durch weitere Aufnahme westlicher Kredite.

1974
Eine neue Verfassung gibt allen sechs jugoslawischen Republiken größere politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit auf Kosten der Föderation und erweitert den Autonomiestatus der beiden autonomen Gebiete Serbiens (Kosovo und Vojvodina). Diese werden weitgehend gleichgestellt mit den Republiken, d.h. sie entsenden ihre Vertreter nicht mehr in das serbische Parlament, sondern in das gesamtjugoslawische Parlament. Sie erhalten weiterhin je einen Vertreter im neu eingerichteten Staatspräsidium, das dementsprechend acht Mitglieder hat, und ebenfalls je einen Vertreter in der Führung des BdKJ („Bund der Kommunisten Jugoslawiens“), der einzigen zugelassenen Partei. Allerdings erhalten sie – im Unterschied zu den Republiken – nicht das Recht auf Lostrennung. Die Erweiterung der Autonomie beseitigt aber nicht die nationalistischen Tendenzen, die es im „Bund der Kommunisten des Kosovo“ ebenso gibt wie in den Parteien der Republiken, sondern heizt sie an.

Seit 1974
Kosovo-Albaner beginnen, massiven Druck auf Roma auszuüben (Drohungen, Zerstörungen, Prügel, Mordanschläge), damit sie sich zur kosovo-albanischen Seite bekennen.

4. Mai 1980
Tod Titos. Ab jetzt regiert das (schon seit 1974 bestehende) Staatspräsidium, das aus je einem Vertreter der Republiken und der beiden autonomen Gebiete Serbiens besteht, und dessen Vorsitz jährlich wechselt. Beginn einer schweren Wirtschaftskrise.

Neue Kredite sind wegen der bereits hohen Auslandsverschuldung nicht mehr erhältlich, obwohl Jugoslawien im Vergleich zu anderen – vor allem westlichen – Staaten nicht übermäßig verschuldet ist. Dennoch muss Jugoslawien 1980 dem IWF beitreten, erhöhte Schuldentilgungsraten akzeptieren und sich 1982 und 1987 neoliberalen sogenannten „Strukturanpassungen“ des IWF unterwerfen, die die Privatisierung von selbstverwalteten vergesellschafteten Betrieben, Lohnstop und Massenentlassungen beinhalten. Dadurch verschärfen sich die Armut und die Konkurrenz in der Bevölkerung.

März 1981
Bei einer Demonstration kosovo-albanischer StudentenInnen der Universität Pristina wegen schlechten Mensaessens werden mehrere Milizionäre schwer verletzt. Daraufhin setzt die Miliz Schusswaffen ein. In den darauf folgenden Wochen entwickeln sich im gesamten Kosovo militante Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es gibt nach staatlichen Angaben neun Tote und 257 Verletzte, nach Angaben der kosovo-albanischen Seite 200 Tote.

Forderung von Kosovo-Albanern nach dem Republikstatus anstelle des Status eines autonomen Gebiets der Teilrepublik Serbien. Die serbische Bevölkerung im Kosovo beginnt, sich gegen ihre Diskriminierung durch Kosovo-Albaner aufzulehnen.

2. April 1981
Die jugoslawische Regierung verhängt im Kosovo für drei Monate den Ausnahmezustand und setzt die Armee ein. Präsident Jugoslawiens ist zu dieser Zeit der Vertreter der Teilrepublik Bosnien-Herzogowina.

1981
Der Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und spätere Außenminister Kinkel (FDP) entsendet über 100 Agenten nach Jugoslawien, um das Land zu destabilisieren. Danach: Weitere nationalistische Radikalisierung.

1982
Gründung der LSRHJ („Bewegung für die albanische Republik Jugoslawiens“), die sich am Albanien Enver Hodschas orientiert und Morde und Bombenattentate verübt. Harte Reaktion der Regierung (Verhaftungen, Ermordung zweier nationalistischer Aktivisten).

1984
Trotz der Blockfreiheit Jugoslawiens und trotz seiner umfangreichen Handelsbeziehungen zur EG und zu den USA nimmt die Reagan-Regierung in den USA in einer geheimen Direktive („National Security Decision Directive – NSDD 133“) mit dem Titel „Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Jugoslawien“ die jugoslawische Wirtschaft ins Visier. Eine zensierte Version von NSDD 133, die 1990 freigegeben wird, bezieht sich auf eine frühere Direktive (NSDD 54) für Osteuropa, die 1982 veröffentlicht worden war, und führt diese näher aus. NSDD 54 befürwortete „gesteigerte Anstrengungen zur Förderung einer stillen Revolution, um die kommunistischen Regierungen und Parteien zu Fall zu bringen.“ Gleichzeitig sollten die Länder Osteuropas in eine marktorientierte Weltwirtschaft zurückgeführt werden. (Von einer Zersplitterung Jugoslawiens ist in den Direktiven allerdings keine Rede. Dessen territoriale Integrität soll aus der Sicht der USA offenbar erhalten bleiben.)

11. April 1985
Tod Enver Hodschas

1985
Die LSRHJ benennt sich in LRPK („Bewegung für die Volksrepublik Kosovo“) um und kämpft jetzt für die Separierung des Kosovo. In der Namengebung spiegelt sich ihre proenveristische und anti-jugoslawische Einstellung wieder.

24. September 1986
Die serbische „Akademie der Wissenschaft und Künste“ erstellt ein Memorandum, das nach allgemein verbreiteter westlicher Auffassung als geistiger Urheber Großserbiens und Auslöser der neuen Balkankriege gilt. Das Memorandum wird am 24. und 15. September 1986 in einer belgrader Zeitung der Öffentlichkeit präsentiert. Es verursacht in den kommunistischen Reihen quer durch das Land helle Empörung. Zu jenen, die das als Dokument vorgestellte Schriftstück wegen seiner „anti-jugoslawischen Agitation“ scharf verurteilen, gehört Slobodan Milosevic.

1987
Massenstreiks und -demonstrationen in Jugoslawien gegen Lohnstop und Entlassungen (als Folge der IWF-Auflagen).

Juni und Juli 1987
Anschläge kosovo-albanischer Separatisten auf serbische Klöster, Kirchen, Friedhöfe, auf Getreidevorräte und Viehbestände von Kosovo-Serben. (Le Monde, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Zahlreiche Serben und Montenegriner verlassen das Kosovo. In den 80er Jahren sind es insgesamt ca. 200 000 Ende 1987 ist bereits mehr als die Hälfte aller Dörfer im Kosovo ohne serbische BewohnerInnen, so dass große „ethnisch reine“ kosovo-albanische Gebiete entstehen. Die Verdrängung durch Kosovo-Albaner führt bei noch zurückgebliebenen Serben zur Radikalisierung. Sie vertreiben ihrerseits Kosovo-Albaner aus überwiegend serbischen Dörfern, sodass kleine „ethnisch reine“ serbische Enklaven entstehen. Wirtschaftliche Rückständigkeit und hohe Arbeitslosigkeit sind die Hauptursachen für die Eskalierung des nationalen Konflikts (Neue Züricher Zeitung, 1987).

Juni 1987
Der „Bund der Kommunisten“ fordert die vertriebenen Serben auf, in das Kosovo zurückzukehren. Die serbische Regierung verstärkt ihre nationalistische Propaganda, um von der Wirtschaftskrise abzulenken, um dem kosovo-albanischen Separatismus entgegenzutreten und um trotz des Rückgangs des serbischen Bevölkerungsanteils nicht die Kontrolle über das Kosovo zu verlieren.

September 1987
Milosevic wird Vorsitzender des „Bundes der Kommunisten Serbiens“.

1988
Slowenien und Kroatien wollen den armen Süden nicht mehr mitfinanzieren und zahlen nichts mehr in den „Bundesentwicklungsfonds“ ein. Hauptbetroffener ist das Kosovo. Auch bei Entlassungen in Slowenien und Kroatien werden zuerst die Wanderarbeiter aus dem Süden Jugoslawiens entlassen.

Während die beiden nördlichen Republiken sich separieren wollen, um in die EG hineinzukommen, versucht die jugoslawische Regierung, den Staat zusammenzuhalten und ihn als Ganzes in die EG zu integrieren. Auf diese Weise sollen auch Serbien und der Süden Jugoslawiens (also auch das Kosovo) eine Chance erhalten, am europäischen Markt teilzuhaben, denn für ein armes „Restjugoslawien“ (d.h. ohne Slowenien und Kroatien) gibt es kaum eine Aussicht, in die EG aufgenommen zu werden. Aus diesem Grund setzt sich Milosevic dafür ein, jede Art von Separatismus mit Gewalt zu unterdrücken. Deshalb führt das serbische Parlament ein Jahr später, im März 1989, die Rechte der autonomen Gebiete Kosovo und Vojvodina wieder auf den Stand von vor 1974 zurück - als Reaktion auf den dortigen Separatismus. Das Motiv ist, das sich das Kosovo und die Vojvodina nicht als unabhängig erklären können sollen. (Vgl. dazu 23. März 1989). Deutschland (Außenminister Genscher) drängt indes Slowenien und Kroatien dazu, eigene Staaten zu gründen und dafür auch militärische Kämpfe mit der gesamtjugoslawischen Armee in Kauf zu nehmen. (Genscher 1991 zur kroatischen Regierung: „Mit jedem Schuss rückt die Unabhängigkeit näher.“) 1991 beschließen alle Parteien mit Ausnahme der PDS, Slowenien und Kroatien zur Not auch im Alleingang ohne die anderen europäischen Staaten zu Weihnachten 1991 als souveräne Staaten anzuerkennen. („Die Grünen“ spielen dabei übrigens eine Vorreiterrolle, indem sie bereits im Frühjahr 1991 die Anerkennung fordern, also noch einige Monate früher als Genscher!). Damit beginnt die Zerlegung Jugoslawiens, eines Staates, der nach dem 1.Weltkrieg auf französisches und englisches Drängen hin neben Polen und der Tschechoslowakei neu gegründet worden war, um Deutschland mit einem Zweifrontenkrieg drohen zu können, falls es wie 1870 und 1914 einen Krieg gegen Frankreich anzettelt bzw. wenn es nach einer Vormachtstellung auf dem europäischen Kontinent strebt. Insofern ist es das erste Ziel Deutschlands nach seiner Wiedervereinigung, die Versailler Friedensordnung von 1919 zu beseitigen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz sagt später (1991) vor Managern und Generälen: Nach der Überwindung der wichtigsten Folgen des Zweiten Weltkriegs (gemeint sein dürfte vor allem die Spaltung Deutschlands) „sind wir heute damit befasst, noch die Folgen des Ersten Weltkriegs zu bewältigen.“ Denn: „Jugoslawien ist als Folge des ersten Weltkrieges eine sehr künstliche, mit dem Selbstbestimmungsgedanken nie vereinbar gewesene Konstruktion.“ Scholz forderte daher, die Abspaltungen der Teilrepubliken von Jugoslawien anzuerkennen. Deutschland steht damit in der außenpolitischen Tradition des Dritten Reiches, das die Versailler Ordnung als Hemmschuh für Deutschlands zweiten „Griff nach der Weltmacht“ (nach dem ersten Versuch im Jahr 1914) ansah. Auch in der Anerkennungspolitik gegenüber nationalen „Befreiungs“bewegungen wird diese Tradition fortgesetzt. (Himmler 1940: „Bei der Behandlung von Fremdvölkischen im Osten müssen wir darauf sehen, so viel wie möglich einzelne Völkerschaften anzuerkennen (...) Ich will damit sagen, dass wir nicht nur das größte Interesse daran haben, die Bevölkerung des Ostens nicht zu einigen, sondern im Gegenteil in möglichst viele Teile und Splitter zu zergliedern.“)

Herbst 1988
Absetzung und Verhaftung des Parteichefs des „Bundes der Kommunisten des Kosovo“, Azem Vllasi und seiner Stellvertreterin Kaquska Jashari. Vorwurf: Nationalismus.

Politische Provokationen weiterer kosovo-albanischer Führer, die ausschließlich ethnisch-national argumentieren, verschärfen den Konflikt.

1. März 1989
Generalstreik und gewaltsame Zusammenstöße im Kosovo. Verhängung des Ausnahmezustands.

23. März 1989
Änderung der Verfassung Serbiens. Die Rechte der autonomen Gebiete Serbiens (Vojvodina, Kosovo) werden aber nicht beseitigt, sondern nur auf das Niveau von vor 1974 zurückgeführt, d.h. die Autonomie wird nicht beseitigt, sondern nur die weitgehende Gleichstellung der autonomen Gebiete mit den Republiken wird rückgängig gemacht. Sie behalten aber weiterhin das Recht auf albanischsprachigen Unterricht, Theater usw. Im März 1999, also kurz vor Beginn des Nato-Angriffs auf Jugoslawien, gibt es im Kosovo 52 albanischsprachige Zeitungen und Zeitschriften, die nicht behindert werden und die zum Teil sogar Aufrufe der UCK veröffentlichen, sich dem Kampf gegen die „serbischen Okkupanten“ anzuschließen. (Zum Motiv für die Statusänderung der beiden autonomen Gebiete vgl. „1988“.) Massenproteste der Kosovo-Albaner gegen die Verfassungsänderung werden gewaltsam niedergeschlagen.

2. Mai 1989
Beginn der Auflösung des sog. „Ostblocks“. Grenzöffnung zwischen Ungarn und Österreich.

Mai 1989
Das serbische Parlament wählt Milosevic zum Vorsitzenden des Präsidiums der serbischen Teilrepublik.

28. Juni 1989
Amselfeldgedenktag der serbischen Nationalisten: Marsch von 1 Million Serben in das Kosovo zum 600. Gedenktag an die Schlacht von Kosovo Polje (Amselfeld) gegen die Türken, um den serbischen Anspruch auf das Gebiet zu demonstrieren. In einer von westlichen Medien als „chauvinistisch“ und „nationalistisch“ bewerteten Rede betont Milosevic jedoch mehrfach, dass Jugoslawien ein multiethnischer Staat sei, dass er dies als einen Vorzug ansehe und dass dies so bleiben solle. Der Sozialismus könne eine Trennung nach Nationalitäten und Religionen nicht erlauben. Grundlage sei die völlige Gleichberechtigung der in Jugoslawien lebenden Nationen.

1990
Albanien beginnt sich am Westen zu orientieren und den Kapitalismus wieder einzuführen.

Januar 1990
Die von IWF und Weltbank erzwungenen neoliberalen Wirtschaftsreformen in Jugoslawien erreichen unter der US-freundlichen jugoslawischen Bundesregierung (Ministerpräsident: Markovic) ihren Höhepunkt. Unter anderem müssen Steuergelder, die eigentlich als Ausgleichsgelder für die ärmeren Teilrepubliken und autonomen Gebiete bestimmt sind, zur Schuldentilgung bei Pariser und Londoner Kreditgebern verwendet werden. Die Ausgleichszahlungen werden deshalb auf Druck des IWF hin eingestellt. Besonders betroffen ist erneut das Kosovo. Die politische Zersplitterung in Jugoslawien vertieft sich, und der Sezessionismus in den Republiken und in den autonomen Gebieten greift immer weiter um sich. Alle jugoslawischen Republiken weisen das neoliberale Sparprogramm von Markovic zurück, was zu einem Spontanstreik von 650 000 ArbeiterInnen in ganz Jugoslawien gegen Markovic führt. Dabei spielt die sog. ethnische Zugehörigkeit keine Rolle. Die Zersplitterung dieser gemeinsamen Front in möglichst viele nationale Gruppen und Grüppchen wird deshalb zu einem Hauptanliegen des Westens.

April und Mai 1990
In Slowenien und Kroatien finden die ersten Mehrparteienwahlen statt, im gleichen Jahr auch in Mazedonien und in Bosnien-Herzegowina. Die Wirtschaftspolitik spielt im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Die verbündeten nationalistisch – separatistischen Parteien gewinnen die Wahlen. Nur in Serbien und Montenegro gewinnen die sozialistischen Parteien. Aus der Sicht der Nato-Länder bleibt dadurch trotz der beginnenden Auflösung Jugoslawiens ein „weißer Fleck“, ein „Störfaktor“ auf dem Balkan erhalten, den es zu beseitigen gilt.

Im Kosovo kommt es zu einem scharfen Konflikt um das Schulwesen. Nachdem die Kosovo-Albaner seit 1974 die bestimmende Kraft im Gebiet geworden sind, werden an den Schulen zunehmend Lehrpläne und Schulbücher aus dem Nachbarstaat Albanien (!) eingesetzt. 1990 verlangt die serbische Regierung, dass dies rückgängig gemacht wird und wieder nach staatlichen Lehrplänen und mit staatlichen albanischsprachigen Lehrbüchern unterrichtet wird. Dies bedeutet keine sprachliche Unterdrückung. Die Unterrichtssprache ist albanisch, wo es mehrheitlich kosovo-albanische Kinder gibt, und sie ist – seltener – serbokroatisch, wo es mehrheitlich serbische Kinder gibt. Albanisch gibt es für serbokroatisch sprechende Kinder als Angebot. Serbokroatisch ist dagegen festes Unterrichtsfach für albanischsprachige Kinder. Dieses Fach wird jedoch seit 1974 zunehmend boykottiert. Deshalb haben AbsolventenInnen der albanisch- sprachigen Universität von Pristina, die in den 70er Jahren mit großem finanziellen Aufwand zur größten Universität Jugoslawiens ausgebaut wurde, in anderen Teilen Jugoslawiens verminderte Berufsaussichten, weil ihnen die sprachliche Kompetenz fehlt, was zum Beispiel für JuristenInnen unabdingbar ist. Es kommt zu Unruhen.

26. Juni 1990
Das serbische Parlament löst das Parlament und die Regierung des Kosovo auf.

2. Juli 1990
Die kosovo-albanischen Abgeordneten erklären ihre Abspaltung von Serbien.

5. Juli 1990
Das serbische Parlament erklärt die Abspaltung für nichtig. Einführung einer Zwangsverwaltung für das Kosovo.

9. Dezember 1990
Milosevic wird durch allgemeine Wahlen in Serbien zum Präsidenten der jugoslawischen Teilrepublik Serbien gewählt.

25. Juni 1991
Kroatien und Slowenien erklären ihre Abspaltung.

15. September 1991
Mazedonien erklärt ebenfalls seine Abspaltung.

30. September 1991
Nach einer geheimen Volksabstimmung wird eine „Republik Kosovo“ ausgerufen. Sie wird aber nur von Albanien anerkannt. Die serbische Regierung erklärt die Volksabstimmung für illegal.

15. Oktober 1991
Bosnien-Herzegowina erklärt seine Abspaltung.

19. Dezember 1991
Die ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien werden von Deutschland im Alleingang als Staaten völkerrechtlich anerkannt, trotz der Warnungen der anderen europäischen Staaten vor den unabsehbaren Folgen. Jugoslawien ist damit zerbrochen.

1992
Wegen der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens und wegen des Wirtschaftsembargos des Westens (seit dem 30. Mai 1992) gegen das nunmehrige „Restjugoslawien“ verringert sich die gesamtwirtschaftliche Produktion Serbiens um 55 Prozent. Die offizielle Arbeitslosenquote im Kosovo steigt auf 60 Prozent.

27. April 1992
Proklamierung der „Bundesrepublik Jugoslawien“ anstelle der bisherigen „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“. Sie besteht aus Serbien mit seinen beiden autonomen Regionen Kosovo und Vojvodina und aus Montenegro.

1992
Ein US-Industrieller serbischer Herkunft, Milan Panic, wird vom Bundesparlament zum Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien gewählt.

24. Mai 1992
Unter Missachtung der gültigen Verfassung und unter Ausschluss der anderen „nationalen Gemeinschaften“ des Kosovo wählen die Kosovo-Albaner ein Parlament und einen Präsidenten, den Schriftsteller Rugova. Er gilt als gemäßigter Nationalist und später als Gegenspieler des ultranationalistischen UCK-Führers, Demaci. (Demaci verliert allerdings Anfang 1999 sein Amt an den USA-freundlichen UCK-Führer Thaci.) Die serbische Regierung erklärt die Wahl Rugovas zwar für illegal, geht aber weder gegen das kosovo-albanische Parlament noch gegen Rugova vor und toleriert damit faktisch dessen Schattenregierung. Dadurch scheint das Kosovo-Problem seiner Lösung einen Schritt näher zu kommen.

Danach: Boykott aller jugoslawischen staatlichen Einrichtungen im Kosovo. Dazu gehören auch – wie schon zuvor – die staatlichen Lehrpläne und Schulbücher und die Wahlen zum serbischen und zum Bundesparlament.

Ende 1992
Formierung einer so genannten Befreiungsarmee des Kosovo, der UCK. Viele arbeitslose junge Männer treten in sie ein. In der UCK entwickeln sich drei Fraktionen: Eine national-kommunistische, eine faschistische und eine fundamentalistische. Dominierend sind die National-Kommunisten, ehemalige Anhänger Enver Hodschas, die ab 1992 beim Aufbau der UCK in Deutschland und in der Schweiz maßgebend sind. Die faschistische Strömung sitzt vor allem in den USA. Es sind ehemalige Nazi-Kollaborateure und Angehörige der SS-Division „Skanderbeg“, die 1947 mit Hilfe der USA dorthin geflüchtet waren. (Skanderbeg lebte um 1450 und gilt als albanischer Nationalheld.) Die fundamentalistische Strömung wird vom Iran und von Afghanistan finanziert.

1993
Die LRPK benennt sich in LPK („Volksbewegung des Kosovo“) um.

1995
Bis zu diesem Zeitpunkt gilt das Kosovo-Problem für den Westen als inneres Problem Serbiens. Es finden „intensive Gespräche“ und „perspektivische Überlegungen zwischen albanischen und serbischen Kreisen darüber, wie man weiterkommen könnte“ (Willy Wimmer, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE-Staaten) statt.

14. Dezember 1995
Unterzeichnung des vom Westen erzwungenen Abkommens von Dayton: Bosnien-Herzogowina bleibt als Staat mit gemeinsamer Präsidentschaft, Parlament, Regierung und Zentralbank erhalten und wird im Verhältnis von 51 zu 49 zwischen der moslemisch-kroatischen Föderation und der Republik Srpska aufgeteilt. Ein von der EU ernannter „Hoher Repräsentant“ hat diktatorische Vollmachten, indem er zum Beispiel gewählte Bürgermeister oder (im März 1999) sogar den gerade gewählten Präsidenten der Republik Srpska, Poplasen, aus den Ämtern werfen kann. Die Zentralbank wird von einem Vertreter des IWF geleitet. (Nach einer Auflage des IWF darf der Chef der Zentralbank kein Bosnier sein.) Milosevic gilt bei vielen bosnischen Serben als „Verräter“ an der serbischen Sache, weil er die Unterschrift ihrer Repräsentanten unter das Abkommen von Dayton durch den Abbruch der Beziehungen erzwingt. Im Westen gilt Milosevic zu dieser Zeit dagegen als realistischer, kompromissbereiter Politiker. Der Sicherheitsrat der UNO hebt daraufhin die Sanktionen gegen Jugoslawien auf. Dagegen lösen die USA ihre Zusage an Milosevic nicht ein, dass die Bundesrepublik Jugoslawien den Sitz der ehemaligen „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“ in der UNO erhält und Kredite bekommt, falls er die bosnischen Serben zur Unterschrift unter Dayton bewegt. Die USA machen plötzlich beides davon abhängig, dass es zu einer „inneren Demokratisierung“ (wie sie sie verstehen) kommt und dass das Kosovo-Problem (in ihrem Sinn) gelöst wird. Ein Bericht der CIA definiert die „innere Demokratisierung“ als Ausschaltung der Sozialistischen Partei. Die USA verhängen Wirtschaftssanktionen gegen Serbien, die auch das Kosovo treffen.

1993 bis 1996
Die UCK baut ihre Strukturen auf, mit den LPK-Kämpfern als hartem Kern und mit einer doppelten Führung, einer in Pristina und einer in der Schweiz.

1996
Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) beginnt unter Beteiligung der Bundeswehr in der BRD mit der verdeckten Unterstützung und Ausbildung der UCK. (Der BND behält seine dominierende Stellung bei der UCK bis zum Jahreswechsel 1998/99, verliert sie dann aber an die CIA).

11. Februar 1996
Die UCK verübt Bombenattentate in fünf Lagern von serbischen Flüchtlingen aus Bosnien und der Kraina. Sie tritt mit dem Bekenntnis zu den Terroranschlägen erstmals an die Öffentlichkeit.

April 1996
Die UCK tötet in Decani acht serbische Polizisten in Zivil. Dies hat für viele Serben einen Symbolwert, weil die Ballisten ihren Sitz in Decani hatten.

21. April 1996
Bei Unruhen in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, werden fünf Serben und ein Albaner getötet. Die UCK bekennt sich zu den antiserbischen Gewaltakten.

12. Juli 1996
Der deutsche Außenminister Kinkel (FDP) trifft sich in Bonn mit Rugova.

1996
Das jugoslawische Bundesparlament wählt Milosevic zum Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien.

1997
Die UCK verübt 14 Attentate und liquidiert auch kosovo-albanische „Verräter“. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) liefern der UCK Funkgeräte und Überwachungstechnik. Später beteiligen sich auch die USA an der Ausrüstung der UCK und bilden sie militärisch aus. Dabei wird die Söldnerfirma „Militär und Professionelle Ressourcen International“ (MIPRI) eingeschaltet. Sie wird von ehemaligen US-Offizieren geleitet, die mit halboffizieller Zustimmung aus dem Pentagon operieren und bereits während des Kriegs in Bosnien eine Schlüsselrolle beim Aufbau der kroatischen Armee spielten. Die UCK gründet den Verein Vendlindja Therret („Das Vaterland ruft dich“). Er sammelt Spendengelder aus der ganzen Welt auf einem Konto der „Alternativen Bank“ in Olten (Schweiz). 1998 sperrt die schweizer Justiz dieses Konto. Das Geld wird von da an bar und in Koffern transportiert.

8. April 1997
Der in Bonn residierende „Ministerpräsident“ der „Übergangsregierung“ des Kosovo, Bukoshi, äußert in einem Interview: „Die Albaner sind ein Volk, das nichts (!) mit den anderen slawischen Völkern gemein hat.“ (Der Hintergrund ist, dass sich viele Albaner für Nachkommen der indogermanischen Illyrer halten.)

April 1997
In Albanien brechen die „Pyramiden-Banken“ zusammen („Pyramiden“: Spekulative Geldspiele). Der größte Teil der Bevölkerung verliert sämtliche Ersparnisse. Während des darauf folgenden Aufruhrs gegen die Regierung Berisha werden die staatlichen Waffenarsenale geplündert. Die meisten Waffen werden zur UCK in das Kosovo verschoben. Durch den Aufstand wird der autoritär regierende Präsident Berisha gestürzt. Während seiner Präsidentschaft hatte Deutschland damit begonnen, an Albanien „Militär- und Polizeihilfe“ zu leisten und beim Aufbau des Geheimdienstes mitzuwirken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unterstützte ihn mit der Ausarbeitung eines auf ihn zugeschnittenen Wahlrechts. (Diese Stiftung hat ebenso wie die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU eine Niederlassung in Tirana.) Nach seinem Sturz zieht sich Sali Berisha mit seinen Anhängern nach Nordalbanien zurück, das zum neuen Hauptaufmarschgebiet der UCK wird. Berisha verschafft sich durch die Destabilisierung des Kosovo, durch das Anheizen des großalbanischen Nationalismus und durch Gewinne aus dem Waffenhandel eine Ausgangsposition für die erhoffte Rückkehr an die Macht.

Ende Dezember 1997
US-Außenminister Cohen besucht die Regierung Mazedoniens. Ziel: Die Errichtung einer Basis für Nato-Kampftruppen. Damit beginnt die „heiße“ Phase der Planung für den Jugoslawien-Krieg.

Januar 1998
Die UCK kündigt die Ausdehnung ihres Kampfes auch auf Mazedonien an. Das Ziel ist damit offenkundig: Die Schaffung eines „ethnisch reinen“ Großalbaniens.

Februar 1998
Die UCK beginnt ihre erste Großoffensive im Kosovo. In eroberten Dörfern verbietet sie alle politischen Parteien und geht gewaltsam gegen die Minderheiten der Serben, Roma und Goranen (islamisierte Mazedonier) vor. Sie greift zunehmend auch Rugova, seine LDK („Demokratische Liga des Kosovo“) und das Kosovo-Parlament an.

Ende Februar 1998
Der US-Sondergesandte, Botschafter Gelbard, bezeichnet die UCK als „terroristische Organisation“. Wenn die UCK nicht sofort mit ihren Überfällen auf die serbische Polizei aufhöre, werde er dafür sorgen, dass sie auf die Liste der internationalen Terrororganisationen gesetzt werde. Die UCK kommt jedoch nicht auf die Liste, stattdessen wird Gelbard abgelöst.

März 1998
Die Polizei versucht zum wiederholten Mal, den bereits vor einigen Jahren wegen Polizistenmordes verurteilten Adem Jashari festzunehmen, der Oberhaupt des in Drogen- und Waffengeschäfte verwickelten Jashari-Clans ist. Vorhergegangene Versuche, die sich über Jahre hinstreckten, waren gescheitert, weil Jashari immer auf die Polizei schießen ließ, wenn sie sich seinem Haus näherte. Beim Sturm auf sein Anwesen am 4. März 1998 werden bei den Kämpfen 80 Menschen getötet, vorwiegend Mitglieder des weitverzweigten Clans Jasharis. Es folgt ein überraschender Aufstand im Kosovo, bei dem die UCK eine Kette schneller militärischer Erfolge erringt. Die „befreiten Gebiete“ dehnen sich rasch aus. Bei den Gegenangriffen gegen die UCK, die immer moderner bewaffnet ist, setzen die serbischen Kräfte auch schwere Waffen ein. Bei den Kämpfen werden Terroristen, Polizisten und Zivilisten getötet. Eine Kampftaktik der UCK besteht darin, die Polizei zu überfallen und sich danach in ein Dorf zurückzuziehen. Die Eroberung dieser Dörfer wird dann von den westlichen Medien als brutales Vorgehen gegen friedliche Bauern dargestellt. Es kommt zu Massendemonstrationen, auf denen die Separierung des Kosovo gefordert wird.

31. März 1998
Nachdem Holbrooke bereits zuvor die Mitgliedsländer der „Kontaktgruppe“ aufgefordert hat, die Geldsammlungen der UCK in ihren Ländern zu verbieten, beschließt die UNO die Resolution 1160, die „alle terroristischen Aktionen der UCK, einer anderen Gruppierung oder einer Einzelperson und jegliche Unterstützung von außen für die terroristischen Aktivitäten im Kosovo, einschließlich Geldmitteln, Waffen und Ausbildung“ verurteilt. Dennoch sammelt die UCK auf Bankkonten in Deutschland weiterhin ganz offen Geld, das für Waffenkäufe verwendet wird, ohne dass die deutsche Bundesregierung dagegen vorgeht. Die in Deutschland lebenden 400 000 Kosovo-Albaner sollen drei Prozent ihres Einkommens oder ihrer Sozialhilfe an die seit 1993 in Bonn residierende Bukoshi-„Regierung“ abführen, die unter dem Schutz der Bundesregierung steht. Die aus illegalen Geschäften stammenden und von Deutschland aus in das Kosovo oder nach Albanien transferierten Gelder sollen bei einer Milliarde DM jährlich liegen. Mit Hilfe von zum Beispiel albanischen Reisebüros, die weniger Tickets verkaufen als Geldsammelstellen dienen, und mit Hilfe eines illegalen Untergrundnetzes von „Schattenbanken“ werden die Beträge auf ein Pool-Konto gezahlt und von Kurieren bar aus dem Land geschafft. Zahlreiche Transaktionen landen bei Firmen, die mit Militärgerät handeln (Frankfurter Rundschau 16. Juni 1999). Es werden auch offen Kämpfer für die UCK rekrutiert. Die deutsche Bundesregierung schließt am Wochenende vor Kriegsbeginn erstmals deutsche Konten mit UCK-Geldern. (Dagegen sind Geldsammlungen beispielsweise für die kurdische PKK als „Schutzgelderpressung“ verboten und werden strafrechtlich verfolgt, von Rekrutierungen ganz zu schweigen.) UCK-Kämpfer erhalten nach Auskunft des OSZE-Büros in Tirana (Albanien) monatlich 1000 DM Sold, das Zehnfache eines durchschnittlichen Monatslohns in Albanien.

23. April 1998
Volksabstimmung in Serbien über die Frage einer „internationalen Vermittlung“ im Kosovo-Konflikt. 73 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen sich, davon lehnen 95 Prozent eine derartige Vermittlung ab.

15. Mai 1998
Milosevic und Rugova sprechen sich bei einem Treffen für eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts aus.

Mitte 1998
Die Nato geht von der seit Mitte der 90er Jahre üblichen „verdeckten“ Unterstützung und Ausbildung der UCK zur „offenen“ (offiziellen) Unterstützung durch die CIA und den BND über, unter Verletzung der UNO-Resolution 1160 vom März des Jahres.

Nach einer (späteren) Information des US-Verteidigungsministeriums finden die „ersten Kontakte“ der Nato zur UCK statt. „Die Leute (bei der Nato) waren zu der Erkenntnis gelangt, dass wir (die Nato) die UCK in diesen Prozess einbinden müssen, weil sie zumindest die Fähigkeit gezeigt habe, jede Vereinbarung abzulehnen, die dort mit den existierenden Kosovo-Parteien getroffen würde. So mussten sie irgendwie eingebracht werden, und das ist der Grund, warum wir einige erste Kontakte mit der Gruppe dort geknüpft haben, hoffentlich mit den richtigen Leuten in der Gruppe, um sie auf die Probe zu stellen und sie in diesen Verhandlungsprozess einzubringen.“ (US-Verteidigungsministerium, Hintergrundinformationen, 15. Juli 1998)

Sommer 1998
Gegenoffensive der serbischen Polizei und der jugoslawischen Armee gegen die UCK. Dorf um Dorf wird zurückerobert. Folge der Kämpfe zwischen serbischer Armee und UCK: 800 Tote. 150 000 Kosovo-Albaner und Serben und andere fliehen aus den Kampfgebieten.

Die USA versuchen, eine eigene Untergrundarmee als Konkurrenz zur UCK aufzubauen, die „Streitkraft der Republik Kosovo“ (FARK).

18. September 1998
Die UCK ermordet in Tirana (Albanien) den Armeechef der FARK. Nach dem Fehlschlag mit der FARK entschließen sich die USA, die UCK zu „amerikanisieren“.

24. Septemner 1998
Resolution des UN-Sicherheitsrats, der „die Regierung in Belgrad und die Führung der Kosovaren auffordert, dringend ohne Vorbedingungen in einen sinnvollen Dialog über die Probleme des politischen Status einzutreten.“ Belgrad wird außerdem aufgefordert, seine Truppen aus dem Kosovo abzuziehen.

Herbst 1998
Jugoslawien wirft der UCK die Ermordung von 22 Serben in einem serbischen Dorf im Kosovo vor. Einsatz von Truppen.

6. Oktober 1998
Beschluss der Nato über mögliche Luftangriffe auf Jugoslawien, falls dieses die Forderungen der Nato nicht erfüllt.

13. Oktober 1998
Abkommen zwischen Milosevic und Holbrooke. Jugoslawien zieht vereinbarungsgemäß seine bewaffneten Kräfte teilweise aus dem Kosovo zurück. (Die OSZE bestätigt im November die Reduzierung der Truppen auf den Stand vor der Offensive.) Die UCK rückt jedoch in die von den Serben geräumten Stellungen ein und provoziert neue Kämpfe. Dabei nimmt sie auch Führungskräfte von Rugovas LDK gefangen.

Einrichtung einer Überwachungskommission der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE), die die Befolgung der UN-Resolutionen 1160 und 1199 sicherstellen soll. Leiter wird William Walker, US-Diplomat und „Spezialist“ für Süd- und Mittelamerika. In der Amtszeit des US-Präsidenten Reagan war er in den „Iran-Contragate-Skandal“ verwickelt. (Nikaraguanische „Contras“ bekämpften die sandinistische Regierung und finanzierten ihre Waffenkäufe mit Hilfe der CIA bei dem von den USA als „Schurkenstaat“ bezeichnete Iran). Später wurde William Walker US-Botschafter in El Salvador. Während seines Aufenthaltes entstanden dort die „Todesschwadronen“. Als Leiter der OSZE-Beobachtertruppe „Kosova Verification Mission“ (KVM) im Kosovo unterhält Walker enge Verbindungen zum militärischen Kommando der UCK.

Die vor den Kämpfen zwischen UCK und jugoslawischer Armee geflohenen Kosovo-Albaner kehren nach dem Holbrooke-Milosevic-Abkommen laut Angaben der OSZE in ihre Wohnorte zurück.

29. Oktober 1998
Aus einem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs über einen Asylantrag: „Die den Klägern in der Ladung zur mündlichen Verhandlung angegebenen Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 6. Mai, 8. Juni und 13. Juli 1998 lassen einen Rückschluss auf eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner aus dem Kosovo nicht zu. Nicht einmal eine regionale Gruppenverfolgung, die allen ethnischen Albanern aus einem bestimmten Teilgebiet des Kosovo gilt, lässt sich mit hinreichender Sicherheit feststellen. Das gewaltsame Vorgehen des jugoslawischen Militärs und der Polizei seit Februar 1998 bezog sich auf separatistische Aktivitäten und ist kein Beleg für eine Verfolgung der gesamten ethnischen Gruppe der Albaner aus dem Kosovo oder einem Teilgebiet desselben. Es handelt sich bei den jugoslawischen Gewaltaktionen und Gewaltexzessen seit Februar 1998 um ein selektives gewaltsames Vorgehen gegen die militärische Untergrundbewegung (insbesondere der UCK) und deren Umfeld in deren Operationsgebieten. Ein staatliches Verfolgungsprogramm, das sich auf die gesamte ethnische Gruppe der Albaner bezieht, besteht nach wie vor nicht.“

18. November 1998
Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes in Bonn: „Im Kosovo selbst hat sich die schwierige humanitäre Situation etwas entspannt. Die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Bedürftigen haben sich verbessert. (...) Die Kampfhandlungen im Kosovo werden von beiden Seiten mit militärischen Mitteln geführt, wobei auf serbisch-jugoslawischer Seite die Sicherheitskräfte bei der Einnahme von Ortschaften auch mit schweren Waffen vorgingen. Beim Einzug der serbischen Sicherheitskräfte in (von der UCK) zurückeroberte Ortschaften kam es zu Übergriffen gegen dort verbliebene Bewohner. Die durch die Presse wiederholt gemeldeten „Massaker“ und Meldungen über „Massengräber“ trugen zur Beunruhigung der Flüchtlinge bei, konnten jedoch durch internationale Beobachter bisher nicht bestätigt werden.“

22. November 1998
Als weiteres Ergebnis der Verhandlungen zwischen Milosevic und Holbrooke unterbreitet der serbische Präsident Milutinovic nach Verhandlungen mit Rugova ein Rahmenabkommen für eine Autonomie des Kosovo, das allen Regeln des Völkerrechts entspricht. Es wird jedoch im Westen kaum zur Kenntnis genommen.

12. Dezember 1998
Maskierte UCK-Terroristen ermorden sechs serbische Barbesucher in Polje. Die UCK entführt außerdem den stellvertretenden Bürgermeister von Kosovo-Polje. Tags darauf wird seine Leiche in einem Straßengraben entdeckt.

21. Dezember 1998
Das US-Außenministerium schreibt über die UCK: „Die UCK belästigt oder kidnappt jeden, der zur Polizei kommt, (...) UCK-Vertreter haben Dorfbewohnern mit dem Tode oder dem Verbrennen ihrer Häuser gedroht, wenn sie nicht in die Reihen der UCK treten wollen. (...) Der Druck durch die UCK hat eine Intensität erreicht, dass die Bewohner von 6 Dörfern in der Region Stimlje bereit sind zu flüchten.“

28. Dezember 1998
Das Auswärtige Amt in Bonn an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht: „Nach Erkenntnis des Auswärtigen Amtes sind die Maßnahmen der Sicherheitskräfte in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK gerichtet, die unter Einsatz terroristischer Mittel für Unabhängigkeit des Kosovo, nach Angaben einiger ihrer Sprecher sogar für die Schaffung eines „Groß-Albanien“ kämpft.“

6. Januar 1999
Das Auswärtige Amt in Bonn an das Bayrische Verwaltungsgericht in Ansbach: „Derzeit ist eine steigende Tendenz bei der Rückkehr der innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien geflohenen Personen an ihre Wohnsitze zu verzeichnen. Ungeachtet der desolaten wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik Jugoslawien sind auch aus Reihen der Flüchtlinge (nach Angaben offizieller Stellen der Bundesrepublik Jugoslawien haben seit 1991 zirka 700 000 (serbische) Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien und Herzogowina Aufnahme gefunden) keine Fälle von chronischer Mangelernährung oder unzureichender medizinischer Versorgung bekannt, und beachtliche Obdachlosigkeit ist nicht zu beobachten. (...) Für Kosovo-Albaner besteht damit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nach wie vor eine begrenzte Möglichkeit, sich einzeln (mit der engeren Familie) insbesondere in jenen Landesteilen Jugoslawiens niederzulassen, in denen bereits ihre Landsleute oder Bekannte leben, die bereit sind, sie aufzunehmen und sie zu unterstützen.“

Januar 1999
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE-Staaten, Willy Wimmer: Die USA verhindern die Erhöhung der OSZE-Beobachter auf die vereinbarte Zahl, weil sie kein Interesse daran haben.

12. Januar 1999
Das Auswärtige Amt in Bonn an das Verwaltungsgericht Trier: „Eine explizit an die albanische Volkszugehörigkeit anknüpfende politische Verfolgung ist auch im Kosovo nicht festzustellen. Der Osten des Kosovo ist von den bewaffneten Konflikten bislang nicht erfasst, das öffentliche Leben in Städten wie Pristina, Krosevac, Gujilan usw. verlief im gesamten Konfliktzeitraum in relativ normalen Bahnen. (...) (Das) Vorgehen der Sicherheitskräfte (war) nicht gegen Kosovo-Albaner als ethnisch definierte Gruppe gerichtet, sondern gegen den militärischen Gegner (die UCK) und dessen tatsächliche oder vermutete Unterstützer.“

15. Januar 1999
Angebliches Massaker der jugoslawischen Armee an 44 Bewohnern des Dorfes Racak. Gerichtsmedizinische Untersuchungen können nicht endgültig klären, ob es sich um Zivilisten oder um Kämpfer der UCK handelt. Die Kurzfassung des finnischen Untersuchungsberichts zweifelt nicht den serbischen und den weißrussischen Bericht an und vermeidet das Wort „Massaker“, das der Chef der OSZE Beobachtermission im Kosovo, der US-Amerikaner Walker, noch am gleichen Tag benutzt, ohne Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Erst später räumt Walker die Möglichkeit ein, dass es sich bei den Getöteten um UCK-Kämpfer handeln könnte. Französische Medien (Le Monde, Le Figaro) äußern starke Zweifel am „Massaker“ von Racak, aber in fast allen westlichen Medien wird es groß herausgebracht, und es spielt nach der Aussage von US-Außenministerin Albright in der Entscheidung für den Luftkrieg eine entscheidende Rolle. Die vollständige Fassung des finnischen Berichts wird Ende 1999 noch immer vor der Öffentlichkeit verborgen.

Im August 1999 sagt die finnische Pathologin Helena Ranta, die im Auftrag der EU die Toten von Racak untersucht hat, in einem Interview: „Einige Körper wurden bewegt. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen erst nachträglich nach Racak transportiert wurden. Leider konnte ich Racak nie besuchen. Ich wollte eine vollständige Aufklärung erreichen, aber das wurde mir damals nicht erlaubt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Haager Tribunal an einer weiteren Untersuchung tatsächlich interessiert ist.“

Ende Januar bis Anfang Februar 1999
Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) verliert seinen Einfluss auf die UCK, weil er im Unterschied zur CIA auf die Entwaffnung der UCK drängt. Der „Mann der Amerikaner“, der in den USA ausgebildete und für den Nachrichtendienst der UCK zuständige Hashim Thaci aus dem Jashari-Clan, verdrängt den bisherigen UCK-Führer und Gegenspieler Rugovas, Adem Demaci, von der Spitze der UCK.

4. Februar 1999
Aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: „Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die zeitweise befürchtete humanitäre Katastrophe für die albanische Zivilbevölkerung (...) nach dem Abflauen der Kämpfe im Anschluss an die Ende 1998 mit der serbischen Führung getroffene Übereinkunft (gemeint ist das Milosevic-Holbrooke-Abkommen; d. Verf.) abgewendet werden konnte und dass sich seitdem sowohl die Sicherheitslage wie auch die Lebensbedingungen der albanisch-stämmigen Bevölkerung spürbar gebessert haben. (...) Namentlich in den größeren Städten verläuft das öffentliche Leben wieder in relativ normalen Bahnen, auch wenn sich die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen auf Grund einzelner Gewalttaten zwischenzeitlich erhöht haben. (...) Auch einzelne Fälle exzessiver Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, die, wie etwa in Racak, in der Weltöffentlichkeit der serbischen Seite zur Last gelegt werden und große Empörung ausgelöst hatten (...), lassen nach Zahl und Häufigkeit derartiger Exzesstaten nicht den Schluss zu, dass deshalb jeder im Kosovo lebende Albaner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt ist und mithin auch jeder Rückkehrer von Tod und schwersten Verletzungen bedroht sei.“

5. Februar 1999
Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichts zur Zurückweisung der Klagen von Asylbewerbern gegen ihre Ablehnung: „Der beschließende Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger als albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo weder im Zeitpunkt ihrer Ausreise noch im Falle ihrer jetzigen Rückkehr einer asylerheblichen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren bzw. wären und dass ihnen auch keine politische Verfolgung aus individuellen Gründen drohte bzw. drohen würde. (...) Die in Rahmen einer Gesamtbetrachtung gebotene Würdigung der zur Situation der albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo getroffenen Feststellungen hat den Senat nicht hinreichend davon zu überzeugen vermocht, dass alle Kosovo-Albaner oder wenigstens ein sachlich oder persönlich begrenzter Kreis von ihnen als Zielgruppe eines – landes- oder kosovoweit oder begrenzt auf Teilgebiete des Kosovo angelegten – staatlichen Verfolgungsprogramms gruppenverfolgt sind. Denn die gewonnen Erkenntnisse lassen für die Zeit von 1990 bis heute den Schluss auf das Bestehen eines entsprechenden staatlichen Verfolgungsprogramms (...) nicht zu (...) Auch die asylrelevanten Übergriffe der serbischen Sicherheitskräfte im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzungen seit Ende Februar/Anfang März 1998 stellen sich (...) nicht als Ausdruck und begonnene Umsetzung eines Verfolgungsprogramms im vorgenannten Sinne dar, weil das auf die Abwehr von gewaltsamen Sezessionsbestrebungen der UCK gerichtete Vorgehen der serbischen Sicherheitsbehörden – in dessen Gefolge die fraglichen Übergriffe verübt worden sind – dem Grunde nach legitim ist und es zu den allein asylerheblichen überschießenden harten Maßnahmen weder generell gekommen ist, noch hinreichende Anzeichen dafür vorliegen, dass derartige Maßnahmen generell beabsichtigt (gewesen) sind (...).

11. Februar 1999
Vertraulicher Lagebericht des deutschen Bundesverteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Die serbischen Sicherheitskräfte beschränken ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze.“

6. bis 17. Februar 1999
Auf der Konferenz von Rambouillet ist die kosovo-albanische Delegation gespalten. Die UCK, die inzwischen unter den Einfluss der CIA, also der USA, geraten ist, setzt sich aber gegen Rugovas LDK durch. Thaci gibt die Bildung einer weiteren Regierung für das Kosovo bekannt, die an die Stelle der 1992 unter „Präsident“ Rugova gebildeten Regierung treten soll. Er ernennt sich selbst zum „Premierminister“ und bestreitet damit den Machtanspruch des bereits seit 1992 in Bonn residierenden anderen „Premierministers“ Bukoshi. In der Folgezeit weigert sich Bukoshi, die in Westeuropa gesammelten Zwangssteuern (allein in der BRD jährlich zehn Millionen DM) an die jetzt unter Thacis Führung stehende UCK freizugeben, während Thaci die Einnahmen aus dem organisierten Verbrechen (die Balkanroute des Heroinhandels) kontrolliert.

Die Delegation der Republik Serbien unterschreibt den Zehn-Punkte-Plan der Kontaktgruppe. Die von der UCK geleitete kosovo-albanische Delegation und vor allem Demaci, der den USA misstraut, lehnen die Unterschrift ab und fordern die Lostrennung des Kosovo. Anschließend legen die Nato-Staaten ein Implementierungs-Abkommen vor (Implementierung: Erfüllung eines Vertrages), dessen Kern in der Okkupation des Kosovo durch eine 28 000 Mann starke Nato-Truppe und in der Verwandlung des Kosovo in ein Nato-Protektorat besteht mit der Perspektive seiner Lostrennung von der Republik Serbien nach drei Jahren. In einem – jallerdings erst später bekanntgewordenen – Anhang („Annex B“) ist sogar vorgesehen, dass ganz Jugoslawien von Nato-Truppen besetzt wird. Der Annex war laut Angaben der russischen Delegation in der „Kontaktgruppe“ nicht behandelt worden. Die serbische Delegation lehnt das zweite Abkommen, also das Implementierungsabkommen einschließlich des Annex B, als Nato-Diktat ab.

24. Februar 1999
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster: „Für ein geheimes Programm oder einen auf serbischer Seite vorhandenen stillschweigenden Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen, liegen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte vor. (...) Wenn die serbische Staatsmacht ihre Gesetze durchsetzt und dadurch zwangsläufig Druck auf die sich vom Staat abkehrende und eine Boykotthaltung einnehmende Volksgruppe ausübt, geht die objektive Zielrichtung dieser Maßnahmen eben nicht auf eine programmatische Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppe (...) Selbst wenn der serbische Staat wohlwollend in Kauf nimmt oder gar beabsichtigt, dass ein Teil der Bürger, der in einer solchen Situation für sich keine Perspektiven sieht oder Zwangsmaßnahmen entgehen will, ins Ausland ausweicht, stellt dies kein auf die Gesamtheit der albanischen Bevölkerungsmehrheit (im Kosovo) zielendes Verfolgungsprogramm dar. (...) Wenn im übrigen der (jugoslawische) Staat auf die Separatismusbestrebungen mit konsequenter und harter Durchführung der Gesetze sowie mit antiseparatistischen Maßnahmen regiert, denen sich ein Teil der Betroffenen ins Ausland entzieht, ist dies kein vom (jugoslawischen) Staat programmatisch gesteuerter Vorgang, der auf die Ausgrenzung und Vertreibung der Minderheit abzielt, sondern im Gegenteil auf ein Sicheinfügen dieses Volkes in den Staatsverband. (...) Auch die Ereignisse seit Februar/März 1999 lassen ein Verfolgungsprogramm wegen albanischer Volkszugehörigkeit nicht erkennen. Die Maßnahmen der bewaffneten serbischen Kräfte sind in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK und deren vermutete Anhänger und Unterstützer gerichtet.“

28. Februar 1999
Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger sagt zum Vertrag von Rambouillet: „Von Jugoslawien, einem souveränen Staat, verlangt man die Übergabe der Kontrolle und Souveränität über eine Provinz mit etlichen nationalen Heiligtümern an ausländisches Militär. Analog dazu könnte man die Amerikaner auffordern, fremde Truppen in Alamo einmarschieren zu lassen, um die Stadt an Mexiko zurückzugeben, weil das ethnische Gleichgewicht sich verschoben hat (...) Ironischerweise erhöht das geplante Friedensabkommen die Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher Eskalationen, die von Präsident Clinton zur Rechtfertigung eines amerikanischen Einsatzes genannt werden. Ein unabhängiges albanisches Kosovo wird mit Sicherheit danach trachten, die benachbarten albanischen Minderheiten – überwiegend in Mazedonien – zu vereinnahmen. Und am Ende vielleicht sogar das Mutterland Albanien selbst (...) Wird die Nato zur Artillerie für ethnische Konflikte?“

4. März 1999
Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Die UCK entführte in Velika Hoca zwei serbische Zivilisten. Nach eigenen Angaben wurde einer sofort erschossen. Der zweite Entführte wurde auf Vermittlung der OSZE freigelassen. In Pustenik wurden bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der UCK und Kräften der VJ (Armee Jugoslawiens) festgestellt. Kosovo-albanische Behauptungen, es habe bei dem Gefecht ein Massaker an Kosovo-Albanern gegeben, erwiesen sich als nicht zutreffend.“

5. März 1999
„Kosovo update“ des US-State Department: „Die Anzahl der Serben, die aus ihren Häusern geflohen sind, ist in diesem Zeitraum (seit Weihnachten 1998) dramatisch angestiegen, Schätzungen gehen von bis zu 30 000 aus. Sie haben 90 früher ethnisch gemischte Dörfer verlassen, und die meisten haben sich wieder in Zentralserbien niedergelassen. Offizielle Belgrader Statistiken geben an, dass 50 000 der 200 000 Kosovo-Serben die Provinz verlassen haben, seit die Kämpfe vor einem Jahr begonnen haben.“

11. März 1999
Vertraulicher Bericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Bei einem Anschlag der UCK auf eine Polizeistreife wurde in Podujevo ein Polizist getötet. In Mijalic wurden drei Mitglieder einer serbischen Familie vermutlich von UCK-Angehörigen entführt.“

15. März 1999
Beginn von Kämpfen im Süden und Norden des Kosovo. Das Auswärtige Amt in Bonn an das Verwaltungsgericht in Mainz: „Wie im Lagebericht vom 18. November 1998 ausgeführt, hat die UCK nach dem Teilabzug der (serbischen) Sicherheitskräfte im Oktober 1998 ihre Stellungen wieder eingenommen, so dass sie wieder weite Gebiete im Konfliktgebiet kontrolliert. Auch vor Beginn des Frühjahrs 1999 kam es weiterhin zu Zusammenstößen zwischen UCK und Sicherheitskräften, auch wenn diese bislang nicht die Intensität der Kämpfe vom Frühjahr/ Sommer 1998 erreicht haben.“

Fortsetzung der sogenannten „Friedensgespräche“ in Rambouillet. Die UCK lehnt direkte Gespräche mit der serbischen Delegation, sogar auf Expertenbasis, ab. Statt Verhandlungen zu führen, fordern die Nato-Vertreter die serbische Delegation ultimativ auf, das unverhandelte „Friedensabkommen“ (das Implementierungsabkommen) zu unterschreiben. Die jugoslawische Regierung verstärkt während der Verhandlungen ihre Truppen im Kosovo, weil die Nato entgegen dem Holbrooke-Abkommen 12 000 Soldaten in Mazedonien stationiert, angeblich um die OSZE-Beobachter im Kosovo zu schützen, für deren Schutz jedoch Jugoslawien zuständig sein sollte. (Die Nato stationiert jedoch keine Soldaten in Albanien, um den Waffennachschub und die militärische Ausbildung der UCK zu verhindern.)

17. März 1999
Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge: „Kosovo-Albaner unterliegen bei ihrer Rückkehr ins Heimatland weiterhin keiner Gruppenverfolgung (...) Die Situation im Kosovo hat sich durch das zwischen der OSZE unter der Leitung des amerikanischen Sondervermittlers Holbrooke und der jugoslawischen Staatsführung erzielte Abkommen zur Befriedung der Region grundlegend geändert (...) Die ca. 50 000 Flüchtlinge, die sich vorübergehend in den Bergen und Wäldern (meist in unmittelbarer Nähe ihrer Dörfer) aufgehalten hatten, sind seit dem Abzug der Sicherheitskräfte fast vollständig in feste Unterkünfte zurückgekehrt (...) Gleichwohl kommt es hin und wieder zu bewaffneten Zwischenfällen. Dabei handelt es sich überwiegend um Überfälle der UCK und deren Umfeld unter Einsatz terroristischer Mittel, auf die der jugoslawische Staat in deren Operationsgebiet gezielt reagiert.“

18. März 1999
Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Jugoslawische Grenztruppen bekämpften nahe Gorozup eine Nachschubkolonne (der UCK; der Verf.) bei dem Versuch, Waffen und Ausrüstung von Albanien in das Kosovo zu schmuggeln. Kräfte der UCK provozierten mit einem Angriff auf die Polizeistation in Luzane den sofortigen Einsatz von Einheiten der VJ in diesem Raum. (...) Im Dorf Mijalic entdeckten Kräfte der VJ in Häusern vermutlich von der UCK vorbereitete Sprengfallen.“ In Rambouillet unterschreibt die UCK-Delegation das gesamte Abkommen,da ihr klar ist, dass die serbische Delegation das Implementierungsabkommen niemals unterschreiben kann, so wenig wie jede andere serbische Regierung. Die serbische Seite lehnt das Diktat, das einer bedingungslosen Kapitulation gleichkommt, ab.

20. März 1999
Zur Vorbereitung ihres Angriffs veranlasst die Nato den Abzug von 1200 OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo. Die amerikanischen und englischen Beobachter hinterlassen der UCK Dutzende von Satellitentelefonen.

22. März 1999
Beginn einer Offensive der jugoslawischen Armee und der serbischen Sonderpolizei gegen die UCK. Die westlichen Medien bezeichneten sie als „Operation Hufeisen“ und behaupten, ihr Ziel sei nicht nur die Bekämpfung der UCK, sondern auch die Vertreibung der AlbanerInnnen aus dem Kosovo. Ein Jahr später tauchen starke Zweifel an der Existenz einer „Operation Hufeisen“ auf.

23. März 1999
Brief von Slobodan Milosevic an die Außenminister Großbritanniens und Frankreichs, Robin Cook und Hubert Védrine: „Meine Herren Minister, auf die Botschaft, die Sie mir übermittelt haben, möchte ich wie folgt antworten: Die Gespräche in Paris, die Sie als beendet bezeichnen, haben gar nicht stattgefunden. Die Delegationen der Republik Serbien und der albanischen separatistischen und terroristischen Bewegungen haben nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen (...), es gibt also kein gemeinsames Dokument, das akzeptiert oder abgelehnt werden könnte. Im übrigen ist der Text, den Sie als „Abkommen von Rambouillet“ bezeichnen, schon vor den Gesprächen in Rambouillet in der kosovo-albanischen Presse, und zwar in der Zeitung „Koha Ditore“, veröffentlicht worden. Belgrad ist tolerant, aber nicht dumm (...) Wir haben gewiss nichts dagegen, dass vor den Gesprächen ein Vorschlag für die Diskussion vorbereitet wird. Aber wir wenden uns mit allem Nachdruck dagegen, dass die Gespräche gar nicht stattfinden und dass dann von uns verlangt wird, etwas, das eventuell ein Vorschlag für das Abkommen hätte sein können, als Abkommen zu unterzeichnen (...)“.

Das Parlament der Republik Serbien lehnt eine Nato-Okkupation des Kosovo ab und erneuert seine Bereitschaft zu tatsächlichen Verhandlungen über eine umfassende Autonomie des Kosovo auf der Grundlage der Respektierung der Gleichberechtigung aller nationalen Gemeinschaften des Gebiets und der territorialen Integrität Serbiens und Jugoslawiens.

1. März bis 24. März 1999
34 500 Menschen fliehen aus dem Kosovo. Zum Vergleich: Bei der allerersten großen Vertreibungswelle im Bürgerkrieg in Kroatien vertrieb die kroatische Armee 1995 600 000 der 650 000 in Kroatien lebenden Serben aus der Krajina, davon 250 000 im August 1995 in nur drei Tagen. Sie tötete 1000 Serben. Aus Zentralbosnien wurden ebenfalls 600 000 Serben vertrieben. Dies alles wurde von den westlichen Medien jedoch kaum wahrgenommen.

24. März 1999
Die Nato beginnt mit den Luftangriffen auf Jugoslawien. Sie begründet die Bombardierungen damit, dass sie die Stationierung ihrer Truppen erzwingen will, um eine „humanitäre Katastrophe“ zu beenden.

Ende März 1999
Die UCK beginnt mit Freiwilligen- und Zwangsrekrutierungen unter den Flüchtlingen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 1. April 1999: „In langen Kolonnen fahren die Busse (der Flüchtlinge) die Straße hinunter, die in die 200 Kilometer entfernte Hauptstadt Tirana führt. Doch schon nach 15 Kilometern werden alle Fahrzeuge an einer Straßensperre gestoppt. Hier hat die UCK das Kommando. Rund 30 Uniformierte mit Kalaschnikows kontrollieren jeden Wagen. Die Männer im kampffähigen Alter müssen aussteigen. „Wir erlauben ihnen nicht zu fliehen“, erklärt ein UCK-Offizier mit grauem Stoppelbart. „Sie müssen zurück in den Kosovo.“

Zu dieser Zeit müssen alle 220 000 in der Schweiz lebenden Kosovo-Albaner monatlich bis zu 2000 DM an die UCK „spenden“. Die in Frankreich lebenden zahlen 50 Prozent ihres Einkommens.

1. April 1999
Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Die serbisch-jugoslawischen Kräfte haben ihre Säuberungsaktionen gegen die UCK fortgesetzt.“

22. April 1999
Vertraulicher Lagebericht des deutschen Verteidigungsministerium an den Verteidigungsausschuss des Bundestages: „Die Landstreitkräfte (Jugoslawiens) führen weiterhin keine größeren beweglichen Operationen durch. Im Grenzgebiet zu Albanien mehren sich allerdings die Angriffe auf UCK-Kämpfer und deren Versorgungswege.“

April 1999
Die Bundesregierung veröffentlicht mehrfach unbewiesene Greuelberichte (angebliches KZ im Fußballstadion von Pristina; Video mit Greueltaten an Kosovo-Albanern; Berichte von herausgeschnittenen Föten usw.)

Das Washingtoner Büro der UCK hat die Public-Relations-Firma „Ruder Finn Global Public Affairs“ unter Vertrag. Sie wurde bereits im August 1991 von der Regierung Kroatiens engagiert und führte später auch PR-Kampagnen für Bosnien-Herzogowina durch. Ihr Einfluss reicht bis in den Sicherheitsrat der UNO. Sie organisierte vor der Anerkennung Kroatiens durch die USA (April 1991) Reisen von Kongressabgeordneten nach Kroatien und verteilte im Oktober 1993 im amerikanischen Kongress „Informationsmaterial“ (unter anderem Videoclips), das Kroatien als angebliches Opfer einer großserbischen Aggressionspolitik auswies. Ihr Chef James Harff sagte in einem Interview mit Jacques Merlino am 24. April 1993 über das Geheimnis seines Erfolgs: „Eine Kartei, ein Computer und ein Faxgerät, das ist im wesentlichen unser Werkzeug. (...) Und unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen, so dass die Behauptungen, die unserer Sache dienen, als erste an die Öffentlichkeit gelangen. Die Schnelligkeit ist entscheidend. Sobald irgendeine Information für uns vorteilhaft ist, sehen wir uns verpflichtet, sie sofort in die öffentliche Meinung einzupflanzen. Denn wir wissen genau, dass die erste Nachricht von Bedeutung ist. Ein Dementi hat keine Wirkung mehr. (...) Wichtig ist die Fähigkeit, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu handeln.“

Auf die Frage, auf welchen Erfolg er besonders „stolz“ sei, antwortete James Harff: „Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen. Das war eine sehr heikle Angelegenheit, das Dossier enthielt in dieser Hinsicht eine sehr große Gefahr. Denn Präsident Tudjman war in seinem Buch „Ruin der historischen Wahrheit“ sehr unvorsichtig. Wer diese Schrift liest, könnte ihn des Antisemitismus beschuldigen. Auf bosnischer Seite war es nicht viel besser, denn Präsident Izetbegovic sprach sich in seiner islamischen Erklärung von 1970 zu einseitig für einen fundamentalistischen islamischen Staat aus. (...). Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker „Newsday“ die Sache mit den Lagern herausbrachte. (Roy Gutmann erhielt dafür 1993 den Pulitzer-Preis, Titel: „Todeslager“,“Gulag“ und „Todeslager der Serben“). Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen und haben drei große jüdische Organisationen in unserem Sinn beeinflusst, die B’nai B’rith Anti-Defamation League, das American Jewish Commitee und den American Jewish Congress. Wir haben ihnen vorgeschlagen, eine Anzeige in der „New York Times“ zu veröffentlichen und vor den Vereinten Nationen eine Protestkundgebung zu organisieren. Das hat hervorragend geklappt; die Parteinahme der jüdischen Organisationen für die Bosnier war ein außerordentlich gelungener Schachzug. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen. (...) Sehen Sie, das jugoslawische Problem ist sehr vielschichtig, niemand verstand, was dort vor sich ging. (...) auf einen Schlag hatten wir eine einfache Geschichte mit Guten und Bösen, wir wussten, dass alles davon abhing. Und wir haben gewonnen, weil wir das jüdische Publikum anvisiert haben. Die Presse wandelte umgehend ihren Sprachgebrauch und verwendete ab sofort emotional stark aufgeladene Begriffe wie ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazideutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt. Die emotionale Aufladung war so stark, dass niemand mehr eine gegenteilige Meinung vertreten konnte oder andernfalls Gefahr lief, des Revisionismus beschuldigt zu werden. Da haben wir voll ins Schwarze getroffen.“ Auf die Frage von Jacques Merlino, dass er zwischen dem 2. und 5. August 1992 keinerlei Beweise für solche Behauptungen gehabt haben kann, sondern lediglich den Artikel aus der „Newsday“, sagt er: „Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Wir haben dafür nicht die nötigen Mittel. Ich sagte Ihnen bereits: Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. Wir haben nicht behauptet, dass es in Bosnien Todeslager gibt, sondern wir haben bekannt gemacht, dass „Newsday“ das behauptet.“ - Laut albanischem Staatsfernsehen verurteilt die UCK Rugova zum Tode, weil er „ein Agent des Regimes in Belgrad sei.“ Fehmi Agani, einer der engsten Mitarbeiter Rugovas in der Demokratischen Liga (LDK), wird ermordet. Eine makedonische Zeitung behauptet unter Berufung auf verlässliche Quellen in Albanien, dies sei auf Befehl der UCK geschehen.

Die UCK erklärt die im März 1998 von der „Demokratischen Liga“ organisierten Wahlen im Kosovo für ungültig.

Die selbsternannte Kosovo-Regierung unter Hashim Thaci wird von der UCK und der „Demokratischen Unionsbewegung“ (LBD) gestellt, einer Koalition von fünf Oppositionsparteien, die gegen Rugova eingestellt ist. Sie kontrolliert zusätzlich zum Posten des Premierministers das Finanz- und das Verteidigungsministerium sowie das Ministerium für öffentliche Ordnung. Der Sprecher des US-Außenministeriums, James Foley, sagt dazu: „Wir wollen eine gute Beziehung entwickeln mit ihnen (gemeint ist die UCK; d. Verf.), währenddem sie sich in eine politisch orientierte Organisation verwandeln (...) Wir glauben, dass wir über viele Ratschläge und viel Hilfe verfügen, die wir ihnen weitergeben könnten, wenn sie tatsächlich die Art von politischem Akteur werden, wie wir es gerne sehen würden, dass sie es werden.“

1989 bis 1999
Ungefähr 400 000 Einwohner des Kosovo verlassen das Gebiet. Die meisten fliehen vor der Armut, aber auch vor der wechselseitigen Rache. Es fliehen auch 10 000 serbische Bauern vor der ständigen Bedrängung durch Kosovo-Albaner und vor den Gewalttaten der UCK. 80 000 Kosovo-AlbanerInnen leben vor Beginn des Nato-Krieges in Belgrad und ca. 100 000 in Südserbien. Nach Kriegsbeginn erhöht sich ihre Zahl noch.

Mai 1999
Agim Ceku, gebürtiger Albaner und ehemaliger Brigadegeneral der kroatischen Armee, wird neuer Stabschef der UCK. Gegen ihn läuft zur Zeit ein Verfahren vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen „Massenexekutionen, wahlloser Beschießung der Zivilbevölkerung sowie ethnischen Säuberungen während des Kriegs in Bosnien.“ Ceku arbeitet eng mit der Söldnerfirma MIPRI (vgl. 1997) zusammen.

Roland Keith, im Februar und März 1999 Direktor der OSZE-Kosovo-Überwachungskommission (Kosovo Verification Mission – KVM) in Polje, westlich von Pristina, schreibt in der kanadischen Zeitung „The Democrat“: „In den letzten fünf Monaten der Anwesenheit von OSZE-Beobachtern im Kosovo hat es keine internationalen Flüchtlinge gegeben, und in den Wochen vor dem Beginn der Bombardierungen nur einige tausend Flüchtlinge innerhalb der Landesgrenzen (...) Die Situation war eindeutig die, dass die Provokationen durch die UCK, welche ich persönlich bezegen kann für Überfälle aus dem Hinterhalt auf Sicherheitspatrouillen (der Serben; d. Verf.) und welche Tote und Verletzte forderten, klare Verletzungen des Oktober-Abkommens (zwischen Milosevic und Holbrooke; d. Verf.) waren. Die Sicherheitskräfte schlugen zurück, und der daraus folgende Kleinkrieg und die Gegenaktionen führten zu einem verstärkten Aufstandskrieg, doch, wie ich bereits an anderer Stelle feststellte, wurde ich weder Zeuge noch erhielt ich Informationen über sogenannte „ethnische Säuberungen“, und mit Sicherheit gab es keine Vorkommnisse von „Völkermord-Politik“, solange ich mit der KVM im Kosovo war. Was bekannt wurde, seit die OSZE-Beobachter am 20. März evakuiert wurden, um durch diese vorletzte Warnung die jugoslawische Zustimmung zu den Dokumenten von Rambouillet und den folgenden von Paris zu erzwingen, und was seit dem Beginn der Nato-Bombenangriffe am 24. März bekannt wurde, hat offenkundig zu Menschenrechtsverletzungen und zu einer ganz furchtbaren humanitären Katastrophe geführt, als etwa 600 000 albanische Kosovaren flohen oder aus der Provinz vertrieben wurden. Dies fand jedoch nicht vor dem 20. März statt, und deshalb würde ich die humanitäre Katastrophe direkt oder indirekt den Bombardements der Nato und dem darauffolgenden antiterroristischen Feldzug zuschreiben.“ Keith beschreibt in seinem Bericht auch den gelungenen Versuch, dass in seinem Verantwortungsbereich durch die Vermittlung der OSZE-Beobachter die UCK und die jugoslawischen Sicherheitskräfte auf gegenseitige Provokationen verzichteten und die BewohnerInnen eines bereits verlassenen Dorfes nach Hause zurückkehrten.

Der englische General und OSZE-Beobachter Drewenkiewicz gab später zu, 250 GPS-Ortungssysteme im Kosovo gelassen zu haben, die zur Zielmarkierung für die geplanten Nato-Luftangriffe dienen sollten.

10. Juni 1999
Ende der Nato-Bombardierung

Juni 1999
Nach dem Ende der Bombardierungen, dem Abzug der jugoslawischen Armee und nach dem Einrücken der UCK und der Nato-Besatzungstruppen werden innerhalb von zwei Wochen 100 000 Serben und Roma aus dem Kosovo vertrieben, bis Juli weitere 70 000. In der Sprachregelung der westlichen Medien werden sie aber nicht als Vertriebene, sondern als „Flüchtlinge“ bezeichnet. (Bei den Kosovo-Albanern war es umgekehrt.) Roma waren schon seit Anfang der 80er Jahre bis zur teilweisen Zurücknahme der Autonomie 1989 massiven Pressionen durch die kosovo-albanische Mehrheit ausgesetzt, wenn in ihren Pässen als Nationalität nicht „albanisch“ eingetragen war. Es kam zu Entlassungen, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Prügeln. Besonders brutal soll das Vorgehen bei der Volkszählung von 1981 gewesen sein, als sie aufgefordert wurden, sich als Albaner registrieren zu lassen. Häuser und Wohnungen von Roma-Vertretern, die sich weigerten, wurden zerstört. Amnesty International erhielt 1998 Kenntnis von zahlreichen Berichten, denen zufolge die UCK und andere bewaffnete ethnische Albaner für Vertreibungen, Misshandlungen, Entführungen und Inhaftierung von nicht an Kampfhandlungen beteiligten Personen verantwortlich zeichnete, bei denen es sich neben Serben, Montenegrinern und Kosovo-Albanern auch um Roma handelte. Die katholische „Zigeunerseelsorge“ registrierte bis kurz vor Kriegsbeginn Berichte über Roma, die Opfer von Angriffen von Kosovo-Albanern bzw. Bombenanschlägen wurden. Ein ehemaliges Mitglied des Europaparlaments der spanischen Sozialisten verfügt über eine Liste von Kosovo-Roma, die von bewaffneten Gruppen entführt wurden.

Die Nato stellt der UCK in Aussicht, nach US-Vorbild eine Nationalgarde und die Polizei im Kosovo aufstellen zu dürfen. Ihre Entwaffnung verläuft äußerst schleppend. Die Waffen sollen in UCK-eigenen Depots gelagert werden, die von den KFOR-Truppen lediglich überprüft werden.

Die Nato-Staaten erpressen die jugoslawische Bevölkerung: Kredite zum Wiederaufbau der fast völlig zerstörten Industrie und der Infrastruktur und zur im Grunde genommen unmöglichen) Beseitigung der Umweltschäden werde es nur bei „politischen Reformen“ geben. Konkret ist damit die Abwahl des demokratisch gewählten Präsidenten Milosevic, die Beseitigung der Sozialistischen Partei, die Bereitschaft zur Auslieferung der Industrie an die westlichen Konzerne und die Durchsetzung neoliberaler Wirtschaftsprinzipien gemeint.
 21. April 2000