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Söldner schützen US-Verwalter für den Irak Paul Bremer (mitte)
Der privatisierte Krieg
Thomas Wiede Handelsblatt 21. April 2004


Sicherheitsfirmen verdienen am Krieg

Rund 20 000 Angestellte privater Firmen schützen im Irak inzwischen Personen und Ölquellen, liefern Lebensmittel und bauen Militärbasen. Während Amerikaner und Briten private Dienstleister bereits in Krisenregionen einsetzen, scheuen andere Länder noch so einen Schritt.

Sie haben Jeeps, Hubschrauber und sind mit den modernsten Waffen ausgerüstet. Sie stellen nach Schätzungen der „New York Times“ bis zu 1500 Dollar für den Einsatz eines Mitarbeiters pro Tag in Rechnung. Wenn diese sterben, dann bekommt das kaum jemand mit: Private Sicherheitsdienste, die am Kriegsgeschäft verdienen, arbeiten am liebsten im Verborgenen.

Auch den öffentlichen Auftraggebern, wie dem US-Verteidigungsministerium, ist das so recht – die Gefallenen tauchen nämlich nicht in den offiziellen Statistiken auf. Keine Öffentlichkeit, keine Fragen – es sei denn, die Kameras der Welt fangen die „Zivilisten“ ein. So wie vor wenigen Wochen im Irak, als die Leichen von vier Mitarbeitern einer US-Sicherheitsfirma vom Mob in Falludscha geschändet wurden. Der Vorfall sowie die Entführung von vier italienischen Angestellten eines privaten US-Sicherheitsdienstes im Irak hat das Schlaglicht auf einen Trend geworfen, dem alle Armeen in der westlichen Welt – mehr oder weniger – folgen: Die Militärs gliedern aus. In Zeiten knapper Budgets und schrumpfender Heere ist „Privatisierung“ zum Heilmittel geworden, um sich besser auf das Kerngeschäft – also die Kampfhandlung – konzentrieren zu können.

Vorreiter dieses Trends sind die Amerikaner. Noch nie hat es eine so starke Beteiligung der „Private Military Companies“ – kurz PMC – an einer bewaffneten Auseinandersetzungen gegeben wie im Irak. Der US-Buchautor Peter Singer schätzt, dass auf zehn GIs ein Mitarbeiter eines privaten Militärdienstleisters kommt, bis zu 20 000 wären somit im Zweistromland im Einsatz. Wie viele davon auch in Kampfeinsätze verwickelt oder zwischen die Fronten geraten sind, lässt sich schwer sagen.

Wolf-Christian Paes, vom internationalen Konversionszentrum in Bonn (BICC), sieht als klassisches Aufgabengebiet eine Vielzahl von eher defensiven Aufgaben im militärischen Hinterland: Sie reicht vom Transport amerikanischer Feldbriefe durch die Deutsche-Post-Tochter DHL über den Betrieb von Kantinen bis zum Ausbau von Militärbasen, was auch die Halliburton-Tochter Kellogg Brown Root anbietet. Britische Soldaten kamen nicht mit ihrer Marine in den Irak, sondern auf Schiffen, die in Friedenszeiten zivilen Dienst tun.

Zum Aufgabenspektrum der Unternehmen zählen auch der Personenschutz sowie der Schutz von Industrieanlagen und die Ausbildung von Soldaten oder Polizisten, wie sie im Irak unter anderem die Tochter DynCorp des US-IT-Dienstleisters CSC durchführt. In den USA jedenfalls ist das Training von Reserveoffizieren schon längst in den Händen privater Unternehmen.

Aber auch bei defensiven Aufgaben geraten sie im Irak ins Visier von Aufständischen: So mussten Angestellte des US-Sicherheitsdienstleisters Blackwater vor wenigen Wochen mithelfen, einen Angriff auf ein Gebäude der Besatzungsmacht in Nadschaf zurückzuschlagen.

In den USA regt sich inzwischen Kritik an der Rolle der Privaten. Erst kürzlich schrieb der demokratische Senator Jack Reed, Mitglied des Armed Service Committee, an Verteidigungsminister Rumsfeld: „Die Sicherheit in einem feindlichen Kampfgebiet zu gewährleisten gehört zu den klassischen militärischen Aufgaben.“ Den Trend, Aufgaben zu privatisieren, die traditionell den Streitkräften obliegen, werden die Erfahrungen mit den Sicherheitsdiensten im Irak wohl kaum stoppen können. Bereits im Vietnamkrieg flog die US-Armee ihre Soldaten in „geborgten“ Linienmaschinen zum Einsatz. Die Wehrverwaltung ist zudem immer stärker auf die Dienste Dritter angewiesen. Zwischen 1990 und 2001 hat sich die Zahl der Pentagon-Beschäftigten, die für Beschaffung zuständig sind, um die Hälfte verringert. Auch in Europa winken gute Geschäfte: Ein Konsortium um den europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS konnte kürzlich in Großbritannien einen Auftrag für die Erneuerung der Tankflugzeugflotte gewinnen: Der Clou bei dem 18,8 Milliarden Euro schweren Geschäft ist, dass das Konsortium die Flotte auch in eigener Regie betreibt.

Die Diskussion um Privatisierung beschäftigt auch die Uno: Die Kritik an ineffizienten Friedensmissionen von schlecht ausgerüsteten Soldaten hat nun die Verantwortlichen in New York erreicht. Dort sei die Überlegung, Privatfirmen für Friedensmissionen einzusetzen, „noch längst nicht vom Tisch“, so informierte Kreise.
 21. April 2004