  | 
 
  
 
  
  | 
  | 
  | 
Kleine 
Geschichte der  
antirassistischen Grenzcamps 
autopool   5. Mai 2004 
 
 
1998 haben etwa 300 AktivistInnen aus verschiedenen Zusammenhängen wie der 
Kampagne „kein mensch ist illegal“, autonomen Gruppen, Antifaorganisationen 
etc. in Rothenburg bei Görlitz das erste Mal ihre Zelte zu einem Aktionscamp 
aufgeschlagen. Mit diesem ersten Grenzcamp sollte, die Flüchtlings- und Asylpolitik 
und die BGS-Menschenjagd in der Grenzregion, die rassistische Stimmung vieler 
BürgerInnen und die vielerorts vorhandene Hegemonie von Neonazis direkt vor 
Ort ins Visier genommen werden. 
 
Der Freiraum, der durch die Camps geschaffen wurde, bot die Möglichkeit, 
mit vielen Leuten die unterschiedlichsten Aktionsformen zu entwickeln und durchzuführen, 
von Spaß- und Kommunikationsguerilla, Pressekonferenzen und öffentlichen 
Hearings über klassische und nicht ganz so klassische Demos und Kundgebungen, 
Besetzungen, Go-Ins, Antinazi- und Innenstadtaktionen, Belagerungen, notwendigen 
Verschönerungen und Beschädigungen bis hin zu militanten Aktionen. Zahlreiche 
Aktionen waren erfolgreich und bestärkten die Campteilnehmer weiterzumachen. 
 
Hatte das Camp in Rothenburg anfangs noch einen stark improvisierten Charakter, 
wurde die Infrastruktur in den folgenden Jahren immer besser und der „Freiraum“ 
Camp erhielt zunehmend die Bedeutung eines experimentellen Raums. Auf den Camps 
ist es zumindest im Mikrokosmos für neun Tage möglich in Konfrontation 
zu stehen und gleichzeitig zu probieren, wie Zusammenleben funktionieren kann. 
 
Das zweite Camp fand im Jahr 1999 im sächsischen Zittau statt. Das Spektrum 
war breiter geworden, polnische AktivistInnen waren ebenso beteiligt wie Wagenplatzhippies, 
zum ersten Mal nahmen auch Flüchtlinge selbst teil. Auf Grund der inhaltlichen 
und personellen Erweiterung kamen erfolgreiche politische Aktionen und Ansätze 
einer politische Vernetzungen zustande. Eine Woche Ausnahmesituation im Jahr lässt 
sich zwar nicht 1:1 auf den Alltag übertragen, aber Anregungen, Erlebnisse 
und Ahnungen, wie es anders sein könnte, bleiben. 
 
Das 3. Grenzcamp im sächsischen Forst im Jahr 2000 erlebte erstmals eine 
ungeahnte mediale Aufmerksamkeit und unerwarteten und zum Teil auch unerwünschten 
Zuspruch aus den Reihen der „Anständigen“ des so genannten „Antifa-Sommers“. 
Die eigene Verortung zwischen der von außen versuchten Zuschreibung als 
„gutmenschelnde MenschenrechtsaktivistInnen“ und der eigenen radikalen 
Kritik an den herrschenden Verhältnissen ließ bei einigen viele Fragen 
offen, was dazu führte, die eigenen Aktions- und Vermittlungsformen kritisch, 
aber auch produktiv zu hinterfragen.  
Im Jahr 2001 fand das Camp in Frankfurt/ Main statt und es wurde mit dem Frankfurter 
Flughafen erstmals eine innerdeutsche Grenze becamp(f)t. Die Anzahl der dort anwesenden 
Leute ging weit über die Tausend hinaus – es gelang hier mehrmals, 
tatsächlich Sand in die Abschiebemaschinerie zu streuen und den Betrieb des 
Flughafens über mehrere Stunden komplett lahm zulegen oder das Thema vor 
Ort präsenter zu machen. Die oft heiß geführten Debatten auf den 
Camps drehten sich unter anderem um Rassismus, Sexismus, die Zusammenarbeit mit 
Flüchtlingen und die Organisation der Camps. 
 
Einige dieser Konfliktlinien führten 2002 zu einer – entweder als Spaltung, 
Ausdifferenzierung oder einfach nur Trennung bezeichneten – Vielfalt von 
vier Camps mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausrichtungen. Es fand 
das „5. antirassistische Grenzcamp“ in Jena statt, die so genannten 
„ordnungswidrigen Land-in-Sicht-Tage gegen autoritäre Formierung und 
Rechtspopulismus“ in Hamburg, das internationale „noborder-camp“ 
in Straßburg sowie das „antirassistische antisexistische Summercamp“ 
bei Cottbus statt. 
 
Im Sommer 2003 campten dann doch wieder Leute aus den verschiedensten Fraktionen 
und Zusammenhängen zusammen in Köln, um gemeinsam gegen Rassismus und 
Ausbeutung und für eine bessere Gesellschaft aktiv zu werden. Es wurden diverse 
Aktionen in der Kölner Innenstadt durchgeführt, sowie Firmen, die am 
Chipkartensystem profitieren oder Teile ihrer Produkte in Abschiebeknästen 
herstellen besucht um direkt vor Ort aktiv zu werden. Die Kölner Polizei 
beendete das Grenzcamp 2003 mit einem Kessel und der Ingewahrsamnahme von mehreren 
hundert Leuten. Offizielle Begründung: Man halte 80 Prozent der Anwesenden 
für Kriminelle und es wären im Laufe des Camps 84 Straftaten begangen 
worden. Inzwischen erhielten viele CamperInnen die Nachricht, dass gegen sie ein 
Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs 
sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet sei. Ein bundesweites 
Nachbereitungstreffen, beschloss kein neues Camp zu planen oder gar auf die Beine 
zu stellen – es ist die Rede davon, dass das Grenzcamp als solches erst 
mal „auf Eis gelegt“ sei. Die in Köln neu und in vollster Schärfe 
aufgeflammten Debatten scheinen sich soweit festgefahren zu haben. Ob sich neue 
oder doch auch wieder alte AktivistInnen finden, die sich irgendwann des Projektes 
annehmen werden und wie dies dann aussieht, oder ob etwas Neues entsteht, wird 
sich erst zeigen. 
 
Eine neue Struktur, die sich vor allem aus dem Jenaer Camp herausgebildet hatte, 
ist die Idee der so genannten „extra-meetings“, auf denen inhaltliche 
Debatten zwischen „refugees“ und „non-refugees“ vertieft 
werden, zum Beispiel über eben solche Begrifflichkeiten oder etwa über 
die Parole „no nation, no border“. Auf dem letzten sehr gut besuchten 
Treffen dieser Art wurde die Idee einer Camptour für das Jahr 2004 geboren. 
 
Grenzcampgeschichte als Erfolgsgeschichte zu schreiben ist zu einfach und wird 
dem Ganzen auch nicht gerecht. Es ist eher eine Geschichte über die ständige 
Suche nach dem ganz anderen, dem besseren und schöneren Leben für alle 
und dem Weg dahin! Die Fehler, Lücken und Sackgassen können und dürfen 
nur Ausgangspunkte für weitere Bewegung und Dynamik sein, alles andere wäre 
bedrohlicher Stillstand, Sich-Einrichten mit den bestehenden Verhältnissen. | 
  | 
  |