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Aktionstour gegen das Europäische Lagersystem
www.nolager.de 31. Juli 2005


Für Bewegungsfreiheit und Gleiche Rechte für Alle – 24./25. September 2005

Überall auf der Welt kämpfen Menschen gegen Lager, teils von innen, teils von außen. Diesen Ball werden wir am 24./25. September aufnehmen – mit einer zweitägigen Aktionstour gegen das Europäische Lagersystem von Bramsche/Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern. Unsere Botschaft ist unmissverständlich: Lager sind repressive Nicht-Orte, ihnen ist ohne Wenn und Aber eine Absage zu erteilen. Wir werden deshalb keine Mühe scheuen, die Isolation zu unterwandern, auf die Lagerpolitik abzielt. Wir lassen uns nicht aufteilen – in die, die dazu gehören und die, die auf ihre nackte Existenz reduziert und letztlich abgeschoben oder in die Papierlosigkeit getrieben werden sollen. In Bramsche werden wir uns am 24. September zusammen mit AktivistInnen des Komitees für Grundrechte und Demokratie für eine öffentliche Inspektion des dortigen Abschiebelagers stark machen. Außerdem wird es uns darum gehen, den Forderungen Nachdruck zu verleihen, die etliche InsassInnen von Bramsche in jüngerer Zeit mehrfach öffentlich formuliert haben, dazu gehört insbesondere die sofortige Schließung des Lagers und die Erteilung eines unbefristeten Bleiberechts. In Mecklenburg-Vorpommern werden wir uns am 25. September ebenfalls in bereits laufende Auseinandersetzungen einklinken. Auch dort protestieren Flüchtlinge an verschiedenen Orten gegen ihre völlig maroden und meist weit abgelegenen Unterkünfte.

Wir werden gemeinsam – Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge – im Konvoi von Bramsche nach Mecklenburg-Vorpommern fahren. Das wird nicht gehen, ohne zahlreiche Landkreise zu durchqueren und somit immer wieder die Residenzpflicht zu verletzen, der Flüchtlinge per Gesetz unterliegen. Diese Herausforderung werden wir offensiv annehmen, sie liegt auf einer Linie mit dem Kampf, den verschiedene Flüchtlingsorganisationen bereits seit Jahren gegen die Residenzpflicht führen.

Am 24./25. September werden wir es zwar mit Lagern in Deutschland zu tun haben, doch politisch geht es uns um mehr: Unser Anliegen ist es, einen Bogen zum Europäischen Lagersystem insgesamt zu schlagen; insbesondere werden wir die öffentliche Aufmerksamkeit auf die derzeit mit Hochdruck forcierte EU-Lagerpolitik in Nordafrika lenken. Denn im Kern geht es nicht um einzelne Lager in einzelnen Ländern, sondern um ein System, dessen grausame Effizienz gerade darin besteht, auf einer Kombination unterschiedlicher, fein aufeinander abgestimmter Lagertypen zu basieren – im direkten Zusammenspiel mit weiteren migrationspolitischen Maßnahmen.

Last but not least: Das NoLager-Netzwerk ist ein bundesweiter Zusammenschluss antirassistischer, feministischer und autonomer Gruppen; eine zentrale Rolle spielen Flüchtlingsselbstorganisationen, darunter die Brandenburger Flüchtlingsinitiative, The Voice und die Karawane. Wir sind in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Anti-Lager-Aktionen in Erscheinung getreten. Vergangenes Jahr waren wir etwa 17 Tage lang als Anti-Lager-action-Tour in mehreren nord- und ostdeutschen Bundesländern unterwegs. 2005 sind wir bisher zweimal aktiv geworden: Am 2. April haben wir im Rahmen eines europaweiten Aktionstags für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht auf dem Gelände des so genannten Dschungelheims Bahnsdorf in Brandenburg demonstriert. Am 1. Mai liefen wir als NoLager-Block an der Spitze der Euromayday-Parade in Hamburg.

Der Kampf um das Recht auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit spitzt sich immer stärker zu – sowohl an den Rändern als auch im Inneren der EU: Auf der einen Seite gelingt es Jahr für Jahr mehreren hundertausend Flüchtlingen und MigrantInnen, ihren eigenen Weg in die EU zu bahnen, allein über die Grenzen im Süden Europas reisen jährlich ca. 400 000 Menschen ohne Papiere in die EU ein. Die Arbeits- und Lebensbedingungen, mit denen sie es zu tun bekommen, sind zwar meist absolut krass, und doch sollte das nicht den Blick für den Mut, den Erfindungsreichtum und die Entschiedenheit verstellen, womit sich Flüchtlinge und MigrantInnen immer wieder den Klauen des EU-Grenz- und Polizeiregimes entziehen. Das zur Kenntnis zu nehmen, ist vor allem deshalb wichtig, weil sich hierin nicht weniger als der Anspruch auf ein besseres Leben artikuliert – ein Leben in Würde und Selbstbestimmung, in Sicherheit und unter Existenzbedingungen, die nicht nur vom Allernotwendigsten geprägt sind. Flucht und Migration bringen also einmal mehr das Problem globaler Gerechtigkeit auf den Tisch; sie stellen praktisch und unmittelbar das (neokoloniale) Kommando des Nordens in Frage, das immer noch weite Teile des Südens in den Status unterworfener; wenn nicht abgekoppelter Peripherien zwingt! Genauso wenig sollte aber aus dem Blick geraten, dass die Zahl derer permanent wächst, die an den vom EU-Grenzregime aufgebauten Hürden scheitern. So kommen unzählige Flüchtlinge und MigrantInnen gar nicht erst in Europa an: Sie werden in Transitländern abgefangen und interniert oder sie können aus Geldmangel ihre Reise nicht fortsetzen; stattdessen müssen sie sich unter zum Teil dramatischen Bedingungen jahrelang durchschlagen, in der Hoffnung, irgendwann das notwendige Geld für die Weiterfahrt organisiert zu haben. Wieder andere kommen ums Leben – in der Wüste, bei der Überquerung des Meeres oder durch nackte Gewalt. Schließlich sind da noch die, die es zwar nach Europa geschafft haben, von dort jedoch wieder abgeschoben werden, manche gleich nach ihrer Ankunft, andere erst am Ende jahrelanger Asylverfahren.

Allein: Der EU-Migrationsbürokratie reicht das nicht, sie arbeitet weiterhin ihrem Orwellschen Ziel entgegen, die Zugänge nach Europa möglichst umfassend und flexibel regulieren zu können, letzten Endes soll nur noch den Menschen Einlass gewährt werden, die tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt als SpezialistInnen oder als billige, flexible und gewerkschaftlich unorganisierte Arbeitskräfte gebraucht werden.

Eine zentrale Rolle im EU-Grenzregime spielt das Europäische Lagersystem. Sein Ausbau wird derzeit besonders intensiv vorangetrieben. Geplant und zum Teil schon realisiert ist eine Art doppelter (oder noch tiefer gestaffelter) Lager-Gürtel sowohl entlang der EU-Außengrenzen als auch außerhalb der EU – von der Ukraine im Osten bis nach Mauretanien im Süden. Auf diese Weise sollen Flüchtlinge und MigrantInnen bereits frühzeitig vor beziehungsweise an den Toren Europas abgefangen und direkt zurückgebracht werden. Sollten diese Pläne auch nur ansatzweise in die Tat umgesetzt werden, würde dies bedeuten, dass es zukünftig deutlich weniger Flüchtlinge und MigrantInnen schaffen werden, überhaupt nach Europa zu kommen und somit ihr fundamentales Recht auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit durchzusetzen!

Flüchtlingsauffanglager in unmittelbarer Nähe zur EU wurden erstmalig 1999 während des Kosovo-Kriegs errichtet: Damals gelang es einer Koalition aus NGOs und westlichen Kriegsparteien, zirka 550 000 von 800 000 kosovarischen Flüchtlingen direkt in temporäre und streng bewachte Flüchtlingslager in Albanien und Mazedonien zu lotsen; millionenfache Flüchtlingsströme nach Westeuropa wie noch in den frühen Phasen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien konnten so unterbunden werden. Insbesondere dieses aus herrschender Sicht migrationspolitische Meisterstück ist es gewesen, das den britischen Premier Tony Blair 2003 im Angesicht des aufziehenden Irak-Kriegs seine ‚new visions for refugees‘ formulieren ließ: Danach sollten Flüchtlinge rund um den Globus in EU-finanzierten und von der UN verwalteten Lagern untergebracht werden, etwaige Asylanträge müssten sodann in diesen nahe der jeweiligen Kriegs- und Krisenregion errichteten Lagern gestellt werden. Blairs Vorschläge sorgten seinerzeit für nahezu einhellige Ablehnung in der europäischen Öffentlichkeit, wurden jedoch bereits 1 Jahr später von Bundesinnenminister Otto Schily und seinem italienischen Amtskollegen Giuseppe Pisanu neu aufgelegt – mittlerweile mit ausschließlicher Fokussierung auf Lager in Nordafrika. Im Oktober 2004 haben schließlich die Justiz- und Innenminister der EU verkündet, dass die EU die Errichtung von „Aufnahmezentren für Asylbewerber“ in Algerien, Tunesien, Marokko, Mauretanien und Libyen anstreben würde, jedoch nicht unter Leitung der EU, sondern in Eigenregie der jeweiligen Länder. Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Waffenverkäufe und diplomatisches Stillschweigen hinsichtlich zahlreicher Menschenrechtsverletzungen, in welche sämtliche dieser überwiegend diktatorisch regierten Länder verwickelt sind, sollen den Weg dorthin ebnen.

Mittlerweile sind diese Entwicklungen auf unterschiedlichen Ebenen weiter vorangetrieben worden. So ist die EU endgültig mit dem jahrzehntelang als „Schurkenstaat“ titulierten Libyen handelseinig geworden; unter anderem wird die EU zukünftig an der Ausbildung der libyschen Grenzpolizei beteiligt sein. Die Innenminister von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien haben des Weiteren auf einem so genannten G5-Treffen in Evian einen abermaligen Ausbau des Grenz- und Visaregimes beschlossen – insbesondere zur Abwehr irregulärer Migration an der südlichen EU-Grenze. Hierzu gehört auch der Beschluss, baldmöglichst mit gemeinsamen Sammelabschiebungen in Charterflugzeugen zu beginnen. All dies geht Hand in Hand mit Aktivitäten einzelner Länder: So hat Deutschland bei Tunesien ausdrücklich einen Ausbau des Grenzregimes angemahnt (wozu natürlich auch die Einrichtung von Auffanglagern gehört); im Gegenzug solle Tunesien allein in den Jahren 2005 und 2006 mit 57 Millionen Euro unterstützt werden. Langfristig geht es darum, Tunesien bis 2010 zusammen mit anderen nordafrikanischen Staaten in den europäischen Freihandel einzubinden.

Was die Lagerpläne konkret bedeuten, kann an den mit italienischer Hilfe bereits errichteten Lagern in Tunesien und Libyen abgelesen werden: So finden aus diesen streng von jeder Öffentlichkeit abgeschirmten Lagern regelmäßig brutale und absolut menschenverachtende Abschiebungen statt, unter anderem sind Menschen mitten im Wüsten-Niemandsland ausgesetzt worden. Es steht zu befürchten, dass auf diese Weise bereits mehrere hundert, womöglich mehrere tausend Menschen ums Leben gekommen sind.

Ein weiterer Lagergürtel entlang der EU-Außengrenzen ist bereits weitgehend fertig gestellt: Ob an der polnisch-ukrainischen Grenze, in Ostgriechenland oder auf den Kanarischen Inseln (Spanien), überall sind in den letzten Jahren große Lagerkomplexe auf EU-Territorium entstanden, in denen neu ankommende Flüchtlinge und MigrantInnen interniert und möglichst direkt in die angrenzenden, teils sogar als sicher definierten Nicht-EU-Nachbarländer abgeschoben werden. So sind zum Beispiel im Oktober letzten Jahres 1000 Flüchtlinge ohne Ansehen der Person und ohne Prüfung ihrer individuellen Fluchtgründe mittels einer vom Militär bereitgestellten Luftbrücke von der italienischen Insel Lampedusa nach Libyen abgeschoben worden.

Ein ebenfalls elementarer Bestandteil des Europäischen Lagersystems sind die Lager innerhalb der einzelnen EU-Länder. Allein Deutschland kennt fünf Lagertypen: Zentrale Aufnahmestellen, Gemeinschaftsunterkünfte, Abschiebelager („Ausreisezentren“), Abschiebeknäste und Kombi-Lager wie zum Beispiel in Bramsche. Viele dieser meist völlig heruntergekommenen Lager sind weit abgelegen – in Wäldern, in Industriezonen oder am Stadtrand. Zusätzlich zur sozialen Isolation kommt ein ausgeklügeltes Schikane- und Demütigungssystem einschließlich rassistischer Sondergesetze wie zum Beispiel das weitgehende Arbeitsverbot für Flüchtlinge. Besonders hervorzuheben ist die (bislang) nur in Deutschland bekannte Residenzpflicht, welche es Flüchtlingen während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens verbietet, ohne Genehmigung der Behörden den ihnen zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Die Einhaltung der Residenzpflicht ist zwar nicht lückenlos überprüfbar, trotzdem wirkt das Gesetz auf viele Flüchtlinge wie eine Fußfessel. Die Residenzpflicht ist also ein zentraler Baustein des deutschen Lagersystems, sie zielt darauf ab, Flüchtlinge zu isolieren, einzuschüchtern und auf diese Weise dem ständigen Zugriff der Behörden auszuliefern.

Das Europäische Lagersystem hat nicht nur viele Gesichter, es erfüllt auch unterschiedliche Aufgaben. Einerseits sollen Flüchtlinge und MigrantInnen mittels Lagerpolitik festgesetzt, isoliert und kontrolliert werden. Denn nur so geht das Kalkül auf, sie möglichst effektiv und geräuschlos auf ihrem Weg nach Europa abzufangen und zurückzuschicken bzw. sie aus Europa wieder abzuschieben. Andererseits geht es darum, Flüchtlinge abzuschrecken bzw. in die Illegalität zu treiben. Dahinter steckt eine Doppelstrategie: Flüchtlinge ohne Papiere kosten nichts, außerdem stehen sie den untersten Abteilungen des europäischen Arbeitsmarkts als besonders einfach erpressbare Arbeitskräfte zur Verfügung. Praktisch folgt hieraus, dass der Kampf um freien Zugang nach Europa und Bewegungsfreiheit immer schon mit dem Kampf um gleiche Rechte für alle kurzgeschlossen werden muss!


Aktionsorte

Das Abschiebelager in Bramsche-Hesepe besteht seit November 2000. Von Beginn an war diese Einrichtung ein Modellprojekt für Lagerpolitik in Deutschland. Dieses Modell nennt sich „Freiwillige Rückkehr“.

In Bramsche-Hesepe werden nicht zuletzt Flüchtlinge untergebracht, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind, bei denen aber aufgrund einer Prognoseaussage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Verfahren negativ verlaufen werden. In diesem Sinne findet in Bramsche-Hesepe eine „Beratung“ einzig in Richtung „Freiwilliger Rückkehr“ statt. Bleibeperspektiven kommen nicht zur Sprache. Für die bundesdeutsche Asylpolitik hat damit dieses Lager eine besondere Wichtigkeit, denn hier wird ausprobiert, mit welchen Mitteln Flüchtlinge dazu gedrängt werden können, schnellstmöglich das Land wieder zu verlassen. Das bestätigte zuletzt die Landesregierung am 14. März 2005: „Die Erfahrungen und Kompetenzen in Bramsche sollen auch dafür genutzt werden, die Verstärkung der Rückführungsansätze – insbesondere die Beratung zur Freiwilligen Rückkehr – auch in den übrigen Gemeinschaftsunterkünften der Zentralen Aufnahme- und Ausländereinrichtungen zu intensivieren.“

Dabei kann bei der so genannten „Beratung zur Freiwilligen Rückkehr“ von Freiwilligkeit kaum die Rede sein. Die Flüchtlinge werden vielmehr durch ein Bündel unterschiedlicher repressiver Maßnahmen dazu gedrängt, ein Papier zu unterschreiben, mit dem sie ihrer „Freiwillige Rückkehr“ zustimmen. Dieses Papier wird ihnen immer wieder in der lagerinternen Ausländerbehörde vorgelegt. Unterschreiben sie es nicht, setzt eine Kette von Einschränkungen der wenigen Rechte und Leistungen ein, die die Gesetzgebung Flüchtlingen überhaupt lässt: Kürzung oder gar Streichung des „Taschengeldes“, Nichtzulassen zur „gemeinnützigen Arbeit“ (ein bis zwei Euro pro Stunde), Einschränkung der ohnehin eingeschränkten Reisefreiheit etc. Den Flüchtlingen bleibt, sich in einem Lager aufzuhalten, das sie zwar verlassen dürfen, dessen Verlassen aber nicht vorgesehen ist. Denn auch dieses Lager liegt im Wald, der nächste größere Ort ist nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln zu erreichen. Die Lebensumstände sind so organisiert, dass es keinen ‚offiziellen‘ Anlass gibt, das Lager zu verlassen. Die Infrastruktur befindet sich komplett im Lager: Sämtliche Behörden, die Kantine für die Nahrungsaufnahme, die Kleiderkammer, die Sanitätsstation, die Kindertagesstätte und auch die Schule für die schulpflichtigen der ca. 150 Kinder.

Nichtsdestotrotz reisen von Bramsche-Hesepe nicht viele Flüchtlinge „freiwillig“ aus. Eine viel größere Zahl zieht stattdessen die Illegalität vor. Schließlich gibt es immer wieder Proteste seitens der InsassInnen des Lagers, die Hauptforderung lautet meist „Schließung des Lagers“.


Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern bieten sich mehrere Orte an, um am 25. September aktiv zu werden. In Retschow etwa liegt das Flüchtlingslager direkt am Waldrand. Mit den wenigen NachbarInnen gibt es keine Kontakte. Einkäufe, Arztbesuche etc. müssen im sieben Kilometer entfernten Bad Doberan erledigt werden, der Bus fährt nur selten, am Wochenende gar nicht. Kurzum: Die soziale Isolation ist so gut wie total. Hinzu kommen katastrophale hygienische Bedingungen in der ehemaligen, völlig verfallenen Kaserne. In vielen Zimmern sind auf 24 Quadratmeter sechs bis zehn Personen untergebracht. Bereits seit Monaten protestieren die BewohnerInnen gegen das Lager, sie fordern seine sofortige Schließung. Die Behörden wiegeln indessen ab, sie verweisen darauf, dass das Heim spätestens Ende 2006 (!) sowieso geschlossen werden soll.

Die Lagerpolitik in Mecklenburg-Vorpommern durchläuft derzeit große Veränderungen: Viele Lager werden im Zuge permanent sinkender Flüchtlingszahlen geschlossen. Das betrifft vorzugsweise Lager in den Städten, demgegenüber werden Lager auf dem Land weiterhin aufrechterhalten – zum Beispiel in Ribnitz-Damgarten-Saal. Die Landesregierung verstößt damit einmal mehr gegen ihren eigenen so genannten Dschungelheimerlass, wonach Flüchtlingslager außerhalb geschlossener Wohnbebauungen unzulässig seien. Besonders bedenklich ist, dass das Innenministerium erst jüngst angekündigt hat, dass in der bisherigen Erstaufnahmestelle Horst/Boizenburg zukünftig auch Menschen untergebracht werden sollen, (1) deren Asylantrag abgelehnt wurde und die keine Klage dagegen erhoben haben, die (2) während ihres Aufenthalts ausreisepflichtig geworden sind oder die (3) Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge sind und denen nur vorübergehender Schutz zu gewährleisten ist. Es steht mit anderen Worten zu befürchten, dass das völlig isoliert gelegene Horst zu einer Art Abschiebe- beziehungsweise Vertreibungslager á la Bramsche ausgebaut werden soll. Bemerkenswert ist letzteres auch im Kontext davon, dass derzeit ein Umzug der Hamburger Zentralen Erstaufnahmestelle nach Horst geplant ist – wodurch wohl die Lebenssituation von Flüchtlingen, die formell in Hamburg registriert sind, gezielt verschlechtert, daher auf das Niveau von Mecklenburg-Vorpommern runtergedrückt werden soll.

Keine Lager – nicht hier und nicht anderswo!


Treffpunkt

24. September 2005: 12 Uhr Bahnhof Bramsche-Hesepe. Nähere Informationen zu den Aktionen in Bramsche und Mecklenburg-Vorpommern auf www.nolager.de


Kontakt

Mail: no_lager@yahoo.de Fon: 0163 46 34 594
ViSdP: Dee Fencer , Waldweg 1, 65087 Grauwacke

englischsprachiger Aufruf für die Aktionstour
 7. Juli 2005