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NoLager – Aktionstour trotz massiver Bedrängung erfolgreich beendet!
www.nolager.de 26. September 2005


Pressemitteilung zur Aktionstour

Am 25. September 2005 endete die NoLager-Aktionstour des gleichnamigen Netzwerkes in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Nach den Protesten gegen das bisher größte deutsche Lager in Bramsche-Hesepe reiste der Konvoi am gestrigen Sonntag zum zukünftig größten deutschen Aufnahme- und Abschiebelager nach Nostorf/Horst bei Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Falls die Nutzung der dortigen Einrichtung bis Ende diesen Jahres tatsächlich auch für Hamburger Flüchtlinge vereinbart wird und dann geplante Kooperationen mit weiteren Bundesländern (siehe Frankfurter Rundschau, 24. September 2005) zustande kommen, wird es eventuell norddeutschlandweit keine Möglichkeit mehr geben einen Großteil der dem Norden der Bundesrepublik Zugewiesenen menschenwürdig unterzubringen.

Die Isolation der Menschen im Lager, zum Beispiel in einer „nicht im Zusammenhang bebauten Ortschaft“ wird auch nicht durch eine regelmäßige Buslinie, geschweige denn durch einmal im Jahr stattfindende Sportevents durchbrochen. Das Innenministerium MV’s verweist auf eine Ausnahmeregelung, in der so genannten Gemeinschaftsunterkunftsverordnung (GUVO; Paragraph 9,1), die als Übergangsvorschrift galt – indirektes Eingestehen der isolierten Lage. Ein Erlass des Landes soll nur für kommunale Unterkünfte gelten, nicht aber für das Landesamt selbst. „Diese Auslegung ist nur als mühevolles zurechtbiegen und dreist zu bezeichnen. Statt eine verringerte Anzahl von Flüchtlingen dezentral in Wohnungen an Orten ihrer Wahl unterzubringen, zumindest in größeren Städten mit Infrastrukturen zur unabhängigen Beratung und Unterstützung, wird über Isolation Abschreckung und Hilflosigkeit erzeugt. Lagerunterbringung ist menschlich unwürdig und dient im Fall des Horster Lagers zukünftig vor allem dazu Abschiebungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, zentral durchzuführen.“

Die Proteste vor der so genannten „Landesgemeinschaftsunterkunft“ MV‘s wurden mittels eines offensichtlich symbolischen, wenngleich auch überzeugenden, rüttelns am Eingangstor vorgebracht. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte und die ersten Redebeiträge bereits beendet waren, nahm die Polizei völlig unverhältnismäßig, mit fadenscheiniger Begründung, (vermutliche Sachbeschädigung) zwei „in Gewahrsamnahmen“ vor. Die erhobenen Anschuldigungen (Widerstand) resultieren jedoch alleinig aus dem Vorgehen der Polizei. „Die angekündigte Deeskalationsstrategie war hier nicht erkennbar.“ Im Gegenteil gab es weiter massive Einschüchterungsversuche durch die Polizei. Parallelen zur letztjährigen NoLager-Aktionstour in den Landkreis Parchim sind zu ziehen. „Nervöse, völlig überdimensioniert anwesende Hundertschaften kommen ganz offensichtlich nicht mit einer offensiv vorgetragenen Meinungsäußerung von Menschen zurecht, die, tagein, tagaus, unter Sondergesetzen und -behandlung leiden.“ Die Einschüchterungsversuche gegenüber Insassen der besuchten Lager werden einerseits durch Drohungen mit Strafen und Einschränkungen deutlich, die von der Verweigerung der Reisefreiheit, über Nachteile beim Asylverfahren bis zur Minimierung des ohnehin kärglichen Taschengeldes reichen, andererseits an Haus- und Besuchsverboten von Unterstützern vor und während der Tour. Die durchaus gewollte Politik, ausgeführt von verharmlosenden Beamten und teils vermummt auftretenden Polizisten führte jedoch auch diesmal nicht zum gewünschten Erfolg. Mindestens 15 Flüchtlinge aus Horst und weitere aus dem Containerlager Schwerin-Görries nahmen an den Protesten gegen ihre Unterkünfte teil und begleiteten die Tour auf die zwar kurze, aber dennoch bunte, laute und phantasievolle Abschlußdemonstration durch die Schweriner Innenstadt. Die geringe Beteiligung der Schweriner Bevölkerung war der nicht vorhandenen Vorinformation durch die lokale Presse ebenso geschuldet wie der „abschirmenden“ Polizei.

Ein zum Auftakt der „Interkulturellen Woche“ stattfindender Festakt im Rathaus der Landeshauptstadt kann nicht über die unbefriedigende Lagerung von Menschen in Containern hinweg täuschen. Vernünftige Ansätze konzeptioneller Integration zur Unterstützung migrantischer Selbstorganisation dürfen nicht bei Asylsuchenden ad acta gelegt werden. Eine Sicht durch die rosarote Brille scheint jedenfalls fehl am Platz. Vielmehr sollte in Schwerin die Wirklichkeit im Licht der bestehenden Menschenfeindlichkeit in der Flüchtlingspolitik betrachtet werden.

Vielleicht weiß niemand genau was „Die Würde des Menschen“ ist, schön geredete, zwanghafte Lagerunterbringung gehört zweifelsfrei nicht dazu.

An der diesjährigen NoLager-Tour beteiligten sich das NoLager-Netzwerk, bestehend aus eigenständig arbeitenden, daher autonom organisierten antirassistischen und feministischen Gruppen sowie Flüchtlings(selbst)- und Menschenrechtsorganisationen, wie beispielsweise das Komitee für Grundrechte und Demokratie oder die Flüchtlingsinitiative Brandenburg. In Niedersachsen protestierten zirka 550, in MV zirka 300 Menschen mit der Aktionstour.

weitere Informationen unter: www.fluechtlingsrat-hamburg.de und www.nolager.de
 26. September 2005