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Heraus zum 1. Mai!
Höchste Zeit für Gegenwehr!
Gegeninformationsbüro 10. April 2003


In diesem Jahr steht der 1. Mai ganz im Zeichen des Kriegs gegen den Irak und der Demontage sozialer Errungenschaften. Während sich Millionen Menschen in aller Welt an den größten Anti-Kriegsdemonstrationen seit dem Vietnam-Krieg beteiligten, nimmt auch der Unmut und die Proteste gegen den sozialen Kahlschlag zu.

Mit dem „Nein“ zum Krieg ist es der deutschen Bundesregierung gelungen, national wie international an Gewicht zu gewinnen. In der englischen oder spanischen Friedensbewegung gilt die Position Schröders als vorbildlich für eine konsequente Friedenspolitik. Auch Teile der deutschen Friedensbewegung und sogenannte Friedensforscher unterstützen den deutschen Weg, der ethisch so ungetrübt erscheint. Auf den ersten Blick mag der rot-grüne Verweigerungskurs gegenüber der us-amerikanischen Politik eine erfreuliche Wandlung darstellen, aber eben nur auf den ersten Blick.

Bei genauerem Hinsehen wird die strategische Zielrichtung der „Achse der Unwilligen“ deutlich.

Es sind keineswegs die Skrupel vor einem erneuten Waffengang, die Deutschland veranlassen, diesen Krieg nur halbherzig zu unterstützen. Die zurückliegenden Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan verblassen zwar angesichts der aktuellen Entwicklungen, stellen den Friedenswillen der rot-grünen Täubchen jedoch erheblich in Frage. Aber auch die direkte Unterstützung der us-Kriegsmaschinerie mit Waffenlieferungen, der Awacs-Besatzungen, der Spürpanzer in Kuwait und des geleisteten Geleitschutzes am Horn von Afrika lassen aus dem „Nein“ zumindest ein „Jain“ werden.

Mit dem „Jain“ zum Krieg verfolgt Deutschland mehrere Interessen:
Nach diplomatischen Konsultationen zwischen den drei Hauptverweigerern – Rußland, Frankreich und Deutschland – wurde eine Verweigerungshaltung innerhalb der UN-Strukturen durchgesetzt, mit der es gelang, die Kriegsbefürworter – und insbesondere die USA – international zu isolieren. Der Imageschaden der Kriegsallianz ist enorm und fand seinen Ausdruck weltweit auf den Straßen. Mit dieser Unterstützung konstituierte sich somit auf diplomatischem Parkett erstmals ein respektables Gegengewicht zur us-Dominanz. Dieses Gegengewicht, bestehend aus den EU-Kernstaaten in strategischer Allianz mit Rußland soll mittel- bis langfristig befähigt sein, unabhängig von oder auch gegen die Interessen der USA Kriege für europäische Interessen eigenständig durchzuführen.

Kern dieser Planungen ist die europäische Interventionsarmee und der Ausbau des strategischen Verhältnisses zu Rußland auf politischer, ökonomischer und letztendlich
auch militärischer Ebene. Die gegenseitige energiepolitische Import- bzw. Exportabhängigkeit der EU und Rußlands vertiefen die Potenziale dieser mächtigen Allianz.

Die Heuchelei der „Achse der Unwilligen“ wird ebenso offenkundig, schaut man auf das Gerangel um die Auftragsvergabe beim Wiederaufbau des zerbombten Irak und der plötzlichen Zustimmung Schröders zum Regierungswechsel in Bagdad. Die deutsche Wirtschaft, vertreten durch ihre Lobbyisten aus den Unternehmensverbänden (BDI, BDA und DIHT), versucht mit Nachdruck ein Bein ins Nachkriegsaufbauprogramm zu bekommen und deren rot-grünen Politstrategen nutzen die bewußt herbeigeführte internationale Isolierung der Kriegsallianz, um Mittels der UN die deutschen Industrieinteressen durchzusetzen. In einem verschlüsselten Bericht des deutschen UN-Botschafters Gunter Pleuger heißt es, es ginge darum, letzte Versuche für einen Konsens zu verhindern und Amerika damit zu einem Alleingang zu zwingen. Angesichts der nicht zu bewältigenden Dimension des Wiederaufbaus würde sich Amerika reumütig wieder dem Sicherheitsrat zuwenden.

Der deutschen Öffentlichkeit wird humanitäre Hilfe für den Irak vorgegaukelt, wo nichts weiter als imperialistisches Großmachtstreben und internationale Konkurrenzfähigkeit hintersteckt.

Die Botschaft an die USA ist unzweideutig: Eine „Neue Weltordnung“ nach dem Belieben der US-Falken ist nicht durchsetzbar. Deutschland als Führungsmacht der EU und geeint mit Rußland ist fest entschlossen, bei der Aufteilung der Beute seine Interessen durchzusetzen – heute noch mit Hilfe der Vereinten Nationen, zukünftig als vereinigte europäische Großmacht.

Die außenpolitischen Ambitionen der deutschen Eliten aus Politik und Wirtschaft, die den Krieg als Mittel der Durchsetzung ihrer Interessen jederzeit mitdenken, finden ihre innenpolitische Entspechung in der stufenweisen Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme, dem Angriff auf Löhne und Rechte der Lohnabhängigen und dem Ausbau repressiver Instrumentarien.

Unternehmerverbände und die rot-grüne Regierung blasen auch hier in das gleiche Horn:

Das soziale Sicherungssystem der Bundesrepublik blockiere die wirtschaftliche Dynamik und müsse folglich abgebaut werden.

Nach den unappetitlichen Hartz-Plänen wirft die rot-grüne Koalition mit der Zustimmung von CDU und FDP den lohnabhängigen Menschen bereits die nächsten Kröten in den Hals. „Mut zur Veränderung“ bezeichnet Kanzler Schröder den Sozialabbau in seiner am 14. März gehaltenen Regierungserklärung, wobei „Alle Kräfte der Gesellschaft“ ihren Beitrag für die Ankurbelung der Wirtschaft zu leisten hätten. „Alle Kräfte“ sind nach Schröder Arbeitslose, Kranke und Rentner sowie der abhängig Beschäftigten aber keinesfalls die Unternehmen. Beifall erhielt der „Genosse der Bosse“ dementsprechend von den genannten Unternehmerverbänden.
  • Unabhängig von der Qualifizierung werden Arbeitslose zukünftig jede Arbeit an jedem Ort in der Bundesrepublik anzunehmen haben. Die Ablehnung einer Arbeit führt zu Sperrzeiten, Leistungskürzung und –Streichung,

  • das Arbeitslosengeld soll gravierend gekürzt werden: Statt maximal 32 Monaten nur noch 18 Monate, für jüngere Menschen höchstens noch 12 Monate,

  • Leiharbeit soll massiv ausgeweitet werden und durch die Hartzschen Personal-Service-Agenturen unter Sanktionsandrohung vermittelt werden,

  • die Arbeitslosenhilfe wird auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt. Die Sozialhilfe wird für „Arbeitsfähige“ abgeschafft,

  • Schröders Regierungserklärung enthielt noch weitere soziale Grausamkeiten. So soll der Kündigungsschutz gelockert, die Leistungen der Krankenkassen beschränkt und das Rentenniveau gesenkt werden.
Im Rahmen der Hartzschen Umstrukturierung der Arbeitsämter sind die Folgen und der eigentliche Sinn der Zwangsinstrumentarien bereits sichtbar geworden. Durch das Hartz-Konzept entstehen keine neuen Arbeitsplätze in nennenswerter Größenordnung. Clement, Gerster und Konsorten sind sich dessen wohl bewußt. Sie verfolgen in erster Linie auch nicht das Ziel der Senkung der Arbeitslosenzahlen, sondern wollen durch den massiven Druck auf die Arbeitslosen, Kosten einsparen und Lohnkürzungen durchsetzen. „Das Einsparzauberwort heißt Sperrzeit“ fassen Angestellte der Bundesanstalt für Arbeit ihre Erfahrungen zusammen. „Konkret bedeutet das, jede mögliche und unmögliche Gelegenheit zur Verhängung einer Sperrzeit wird genutzt. Es werden Hitlisten eingerichtet, mit dem Ziel, zu schauen, wer in welcher Zeit wie viele Sperrzeiten verhängt. In der Arbeitsvermittlung verschärft sich der Umgangston mit den Arbeitslosen, in der Leistungsabteilung brechen die Kolleginnen und Kollegen unter der Flut von Leistungseinstellungen und Sperrzeitbescheiden zusammen.“

In Berlin ist diese Form der Repression verstärkt erlebbar. Auch einer sogenannten „rot-roten“ Koalition sind die Menschen nicht mehr wert als ihre Verwertbarkeit in der kapitalistischen Logik der Profitmaximierung. Der hemmungslosen langjährigen Selbstbereicherung der lokalen Polit- und Wirtschaftseliten folgt ein um so radikalerer Einschnitt in die sozialen Gefüge dieser Stadt. Kürzung der Mittel für Frauen-, Migranten- und Jugendeinrichtungen, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Kitas, sozialen Wohnungsbau sowie Streichung von ABM- und SAM-Stellen – die Liste läßt sich beliebig fortsetzen.

Nach außen wie nach innen erleben wir derzeit einen reaktionären Systemwechsel, der sich weltweit in seiner zerstörerischsten Kraft wiederspiegelt. Appelle an supranationale Institutionen, die Vereinten Nationen oder den Staat und seine Vertreter – sie sollten doch
nicht so grausam sein – sind der erste Reflex – aber auch völlig verfehlt. Das Kräfteverhältniss zwischen Kapital und der lohnabhängigen Bevölkerung sind das ausschlaggebende Kriterium sozialstaatlicher Regulierung. Eine international koordinierte außerparlamentarische Opposition auf den Straßen und in den Betrieben, eine Antikriegsbewegung, die gleichzeitig antikapitalistisch sein muß und eine linke Gewerkschaftsbasis: nur diese Menschen vereint können das Kräfteverhältnis in Frage stellen und stehen gleichzeitig in der Pflicht, solidarisch zu handeln und Perspektiven zur Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse zu entwickeln.

Kapitalismus ist die Wiege der Barbarei
Der Kampf gegen imperialistische Kriege ist der Kampf gegen die Barbarei


Heraus zum 1. Mai!
 10. April 2003