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Nato gibt Urangeschosse über Jugoslawien zu
Gegeninformationsbüro Presseschau 23. März 1999


Soldaten klagen wegen Uran
tageszeitung vom 17. April 2000

Zwölf britische Soldaten planen einem Zeitungsbericht zufolge wegen Gesundheitsproblemen nach dem Kosovo-Einsatz eine Klage gegen das Verteidigungsministerium. Die Sunday Times berichtete, Ärzte führten die Beschwerden der Soldaten auf den Einsatz von Uran-Munition im Kosovo-Krieg im vergangenen Jahr zurück. Untersuchungen hätten ergeben, dass dies Krankheiten wie Krebs sowie die Schwächung des Immunsystems nach sich ziehen könne. Sollten die Soldaten vor Gericht Erfolg haben, könnte dies Forderungen von hunderten weiterer Soldaten nach sich ziehen.

10 500 Briten waren nach der Bombardierung Serbiens durch die Nato vor Ort im Einsatz gewesen. Bereits nach dem Golfkrieg von 1991 hatten Soldaten rechtliche Schritte wegen chronischer Gesundheitsbeschwerden eingeleitet, für die sie eine Impfmischung verantwortlich machten, die sie bei biologischen Angriffen schützen sollte.


Ziele von Uran-Granaten sollen abgesperrt werden

Frankfurter Rundschau vom 22. März 2000

Die UN-Umweltorganisation (Unep) will dafür sorgen, dass die Stellen abgesperrt werden, auf die während des Kosovo-Krieges die aus abgereichertem Uran bestehenden Granaten der Nato abgefeuert worden sind. Nach einer von der Nato veröffentlichten Karte befinden sich die Einschlagstellen vor allem entlang der Grenze zu Albanien, aber auch an anderen Orten, etwa südwestlich von Mitrovica und bei Klina. Laut Unep sind in diesen Gebieten, italienische, niederländische und deutsche Kfor-Soldaten stationiert.

Die Nato hat der Unep offiziell mitgeteilt, Geschosse mit abgereichertem Uran eingesetzt zu haben, das nur schwach strahlt, dessen Staub aber hochgiftig ist. Laut Unep feuerten US-Flugzeuge rund 31 000 dieser Geschosse – mit einem Gewicht von rund zehn Tonnen abgereichertem Uran – über Kosovo ab. Munition mit abgereichertem Uran werde vor allem gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt, sagte der Leiter der UN-Balkan-Taskforce, Pecka Haavisto, in Genf. Wie gefährlich das abgereicherte Uran für Menschen sei, werde derzeit untersucht.


Nato gibt Einsatz von Uran im Kosovo zu
Berliner Morgenpost vom 22. März 2000

Ein Jahr nach Beginn des Kriegs gegen Jugoslawien hat die Nato erstmals offiziell zugegeben, im Kosovo-Krieg auch Munition mit abgereichertem Uran eingesetzt zu haben. Nato-Generalsekretär George Robertson erklärte in Brüssel, dass US-Kampfjets bei den Bombardements abgereichertes Uran benutzt hätten. Auch die UN-Umweltorganisation (Unep) berichtete gestern in Genf unter Berufung auf eine schriftliche Stellungnahme der Nato, dass Nato-Soldaten der USA bei rund 100 Angriffsflügen mit A-10-Flugzeugen 31 000 Einheiten Munition mit insgesamt rund zehn Tonnen abgereichertem Uran verwendet hätten. Munition mit Uranmantel zeichnet sich durch besonders große Durchschlagskraft aus und wird vor allem gegen Panzer eingesetzt.

Die Unep will nun dafür sorgen, dass die Gebiete, in denen das giftige, aber nur schwach radioaktive Uran benutzt wurde, abgesperrt werden. Wie gefährlich das Uran, das von den Amerikanern auch im zweiten Golfkrieg eingesetzt worden sein soll, für den Menschen ist, wird derzeit von der Weltgesundheitsorganisation untersucht. Abgereichertes Uran fällt als Abfallprodukt bei der Anreicherung von Uran und bei der Wiederaufbereitung an. In Deutschland wird es als schwach radioaktiver Müll gelagert.


Bombenlogik
junge Welt vom 23. März 2000 von Mirko Ogris

Nato gibt Urangeschosse über Jugoslawien zu

Am Freitag, dem 24. März, jährt sich zum ersten Mal der Bombenkrieg der Nato gegen die Bevölkerung Jugoslawiens: Serben, Montenegriner, Albaner und andere Angehörige der unzähligen Völkerschaften des jugoslawischen Reststaates. Sie haben in diesen elf Wochen ein bislang präzedenzloses Ausmaß an humanitärer Unterstützung erfahren: Arzneimittel, die ihnen Arme und Beine wegrissen, die Schädel zerfetzten oder unheilbare psychische Schäden hinterließen. Der Kampf zum Schutz der Menschenrechte kann ganz schön hinterfotzig sein, wenn des Menschen Recht von Hegemonialpolitikern definiert und von ihrer Todesarmada exekutiert wird.

Am Dienstag hat Nato-Generalsekretär George Robertson auf die besondere Wirksamkeit dieser Rosskur zur Gesundung der zwischennationalen Beziehungen in der südserbischen Provinz verwiesen und erstmals öffentlich zugegeben, dass das nordatlantische Kriegsbündnis abgereichertes Uran auf die multinationale Gemeinschaft in Jugoslawien – und das ausgerechnet auf das unter besonderem Menschenrechtsschutz stehende mehrheitlich von Albanern bewohnte Kosovo – niedergehen ließ. Die Angriffe, so der britische Bomben-George, seien unvermeidbar geworden, weil die (serbischen) Menschenrechtsverletzungen die Werte untergraben hätten, auf die das neue Europa aufgebaut sei. Es war ein Atomkrieg niedrigster Intensität, der den Werten des neuen Europas so nachhaltig zum Durchbruch verhelfen sollte. Bei solch uneigennützigen Freunden bedürften die Kosovo- Albaner eigentlich keiner Feinde mehr.

Der Feind aber, geht aus den Worten des Generalsekretärs hervor, sei die Regierung in Belgrad, namentlich der „Kriegsverbrecher“ Slobodan Milosevic. Der habe in der südserbischen Provinz ethnisch gesäubert, was der Besen hielt. Es bedurfte freilich uranabgereicherter Geschosse und anderer international geächteter Bomben, damit auf verseuchter Erde ein ethnischer Sauberkeitswahn ausbrechen konnte, der dem neuen Europa alle Ehre macht. Ein multinationales Kosovo versprachen die Nato-Krieger und ihre UNO-Beamten auf kosovarischem Boden herzustellen; ein monoethnisches Gebilde, das alle Nichtalbaner skipetarischer Blutrache aussetzt, ist das Ergebnis. Das Volk der Bergadler, wie sich die tatsächlichen oder vermeintlichen Nachkommen der Illyrer zu bezeichnen pflegen, hat die Nato-Lufthoheit über den südwestlichen Balkan voll zu nutzen gewusst.

Die Nato habe auf die Politik der ethnischen Säuberungen reagiert, um ihre Werte nicht zu verraten, behauptet ein Mr. Robertson ein Jahr nach Beginn des Bombenkrieges gegen Züge und Busse, gegen Geburtenkliniken, Altersheime, Intensivstationen und Rundfunkanstalten. Ein Jahr, nachdem die internationale Öffentlichkeit sich Schauermärchen von gegrillten albanischen Föten serbischer Zubereitung zumuten lassen musste, wird die Nato-Aggression von ihren Oberen in ihrer perfiden Grausamkeit öffentlich eingestanden. Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verteidigung humanitärer Werte.


„Ein Feldzug der Irreführung“
junge Welt vom 23. März 2000 von Rainer Rupp

Kritische Berichte zum Nato-Krieg
gegen Jugoslawien mehren sich


Nato-Generalsekretär George Robertson will die Geschichtsschreibung über den ersten Angriffskrieg der Nato auf seiner Seite wissen. Der Bluff des Herrn Robertson zeigt jedoch kaum noch Wirkung. Kritische, ja vernichtende Kommentare und Berichte über den fatalen Nato-Angriff und seine gefährlichen Folgen finden zunehmend ihren Weg in den Mainstream der internationalen Medien.

Auch die Nato ist unsicher geworden. Einerseits kommt sie wegen ihrer Propagandalügen stärker unter Druck der Öffentlichkeit, andererseits wächst die Spannung im Inneren der Nato, weil sich die verschiedenen Akteure gegenseitig die Schuld am sich abzeichnenden Versagen vorwerfen.

„Niemand wird sagen, dass wir nicht das Richtige getan haben“, erklärt Nato-Chef Robertson jetzt trotzig der Presse. Unter den neuen Umständen klingt das eher wie das Pfeifen eines kleinen Jungen im dunklen Wald. Stattdessen dürfte hier die Bewertung von General Sir Michael Rose, der ehemalige Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien, eher zutreffen, dass nämlich bei der Nato „die Rhetorik die Realität überholt hat“. General Rose zeigte sich kürzlich in einem Fernsehinterview über den Nato-Angriff geschockt und rückte die Nato-Kriegsführung gegen Jugoslawien in die Nähe von Kriegsverbrechen: „Wenn man mit unzureichenden Mitteln gegen einen legitimen Feind kämpft und dabei Zivilisten tötet, dann läuft man große Gefahr, gegen die Genfer Konvention und die Haager Protokolle zu verstoßen“.

Kein Blatt vor den Mund nimmt auch der US-Kongressabgeordnete Ron Paul, der die Nato-Lügen mit der Nazi-Propaganda von Goebbels vergleicht. Der republikanische Abgeordnete aus Texas beschuldigte am 13. März in einem Artikel auf seiner Webpage unter dem Titel: „Die GROSSE Lüge“ die Nato eines „Feldzugs der Irreführung im Kosovo“. „Je mehr Tatsachen über den Nato-Krieg im Kosovo herauskommen, desto offensichtlicher wird es, dass die Nato eine politische Entscheidung getroffen hat, Lügen über serbische Greueltaten zu verbreiten“, um eine Rechtfertigung für den Krieg zu haben, heißt es auf der Seite.

In die gleiche Kerbe schlug kürzlich der frühere kanadische Botschafter in Jugoslawien, James Bisset, in einer Rede vor dem außenpolitischen Ausschuss des kanadischen Parlaments. In seiner Rede vom 17. Februar 2000 in Ottawa beschuldigte er die Nato, die Öffentlichkeit mit Hilfe von Genozidbehauptungen und Gräuelgeschichten, die von angeblichen „albanischen Augenzeugen“ erzählt worden waren, irregeführt und belogen zu haben. Botschafter Bisset warnte den Ausschuss: „Die aggressive militärische Intervention der Nato in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates stellte einen unheilvollen Wendepunkt in den Zielen und Zwecken der Organisation dar.“

Die Hauptschuld für den Nato-Krieg weist Botschafter Bisset Washington zu, das gerade einen Vorwand für einen Krieg gesucht hätte. „Das Rambouillet-Ultimatum war eindeutig darauf ausgerichtet, dass Jugoslawien die beleidigenden Bedingungen niemals annehmen konnte“, erklärte er dem Ausschuss und ergänzte: alle, die das Abkommen gesehen haben, stimmen heute darin überein, dass kein souveräner Staat diese Bedingungen hätte annehmen können“, die unter Führung der Amerikaner in das Abkommen eingeführt worden waren.


Mediale Mobilmachung
junge Welt vom 23. März 2000 Peter Rau

Der Kollateralschaden-Sprecher kann zufrieden sein

Officer Jamie Patrick Sheas liebste Waffengattung macht wieder mobil. Es war schließlich lange genug mehr oder weniger ruhig gewesen um diesen Slobodan Milosevic. Das muss den 47-jährigen Dr. phil aus London und Erfinder von „collateral damage“-Kriegen schon seit längerem mächtig gewurmt haben. Zufall oder nicht: Ein Jahr nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf Jugoslawien kann der Nato-Sprecher und Vize-Direktor der Allianz „für Information und Presse“ erneut auf Medienberichte verweisen, die das Belgrader Staatsoberhaupt der Kriegstreiberei bezichtigen.

Die einen favorisieren die jugoslawische Teilrepublik Montenegro: „Serbien hat den Krieg in Montenegro längst vorbereitet“ (Frankfurter Rundschau), „Im Würgegriff ... Jetzt stehen die Zeichen auf Krieg“ (Tagesspiegel), „Milosevic will Montenegro aushungern – Bereitet der serbische Machthaber den fünften Balkankrieg vor?“ (Berliner Morgenpost). Andere sehen im Südosten Serbiens, „an der Grenze zum Kosovo ... den nächsten Balkankonflikt entstehen“ (Berliner Zeitung). Der Spiegel ist noch unentschieden: „Der Serbenherrscher braucht neue Krisenherde, um sich und seine Nomenklatura an der Macht zu halten ... Unklar bleibt, wo der Belgrader Regent demnächst zuschlagen wird.“ Und so weiter und so fort.

In Südostserbien, in der Region um Presevo, Medvedja und Bujanovac, von der UCK als „Ost-Kosovo“ ins großalbanische Visier genommen, häufen sich antiserbische Attacken. Die Existenz einer im Nato-Protektorat Kosovo nach UCK-Muster rekrutierten und aus früheren UCK-Terroristen gebildeten „Befreiungsarmee“ steht zwar außer Frage, sie passt aber, wie im Spiegel befunden wird, „in Belgrads Feindkonzept“. Und allein das scheint ausreichend zu sein, um Milosevic „rigorose Grenzkontrollen zum Kosovo“ seitens der serbischen Behörden anzulasten, die darin bestehen, dass man diese Grenze „nur noch mit Personalausweis passieren“ darf. „Milizen, die sich nach der Nato-Bombardierung aus dem Kosovo zurückgezogen hatten“ – als wären sie nicht von der westlichen Wertegemeinschaft dorthin verbannt worden -, werden so umgehend zu „Provokationen aus Belgrad“ umgedichtet wie „aus dem Kosovo abgezogene Panzer nebst Militärausrüstung“. Ganz so, als würde Belgrad hier auf einem Territorium agieren, auf das es keinen Anspruch hätte. So lässt sich halt auch ein Nato-Vorrecht im Handumdrehen herbeischreiben.

Auch im Fall Montenegros werden neue Kriegsvorwände ersonnen, indem Ursachen und Folgen ins Gegenteil verkehrt werden. Das große Gezeter um das von Belgrad gegen die Teilrepublik Anfang des Monats verhängte Handelsembargo lässt schlichtweg außer acht, dass die serbische Seite etliche gute Gründe für eine solche rigorose Maßnahme vorbringen kann, die eher dem Schutz der eigenen Wirtschaft dient als einem angeblichen Aushungern Montenegros. Der gewichtigste wurde bereits im November letzten Jahres geschaffen, als Präsident Djukanovic die Deutschmark als Parallelwährung ins Land der schwarzen Berge ließ, um die von Teilen der montenegrinischen Elite betriebene Sezession von Jugoslawien voranzutreiben, sich aber zugleich weigerte, serbische Einfuhren dann auch in DM statt Dinar zu bezahlen.

Doch die Wirtschaftskrise – Folge nicht zuletzt der antijugoslawischen Sanktionen wie des Nato-Krieges – konnte der auf den Westen fixierte Teilpräsident in Podgorica damit ebensowenig überwinden wie große Teile der Bevölkerung für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, pardon: Unabhängigkeit begeistern. Aus gutem Grund traut er sich auch nicht so recht an die schon mehrmals angekündigte Volksabstimmung oder gar Neuwahlen heran ... Oder wie es in hiesigen Medien heißt: „Ein mehrmals angekündigtes Referendum über die Unabhängigkeit von Serbien hat die Regierung in Podgorica auf Anraten der USA und der Europäischen Region vorerst auf Eis gelegt.“ Es würde, so die hier zitierte Frankfurter Rundschau weiter, „Montenegro spalten“. Doch wie immer: „Belgrad alleine entscheidet über Krieg und Frieden“, wissen die Kollegen am Main. Das hätte der Dr. phil. aus dem Brüsseler Hauptquartier auch nicht besser sagen können.


Rudolf, go home!
junge Welt vom 23. März 2000 von Rüdiger Göbel

PDS-Politikerin fordert Rücktritt von Scharping und Fischer.

Die abrüstungs- und friedenspolitische Sprecherin der PDS, Heidi Lippmann, forderte am Mittwochnachmittag auf junge-Welt-Nachfrage den Rücktritt von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping. Grund sei dessen Ignoranz gegenüber dem Terror gegen die nichtalbanische Bevölkerung im KFOR-Protektorat Kosovo sowie der von der Nato jetzt eingestandene Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran während des Krieges gegen Jugoslawien im vergangenen Jahr. Aufgrund der gescheiterten Politik von Bundesaußenminister Joseph Fischer solle sich dieser überlegen, ob er sich dem überfälligen Schritt Scharpings nicht anschließen wolle, erklärte Lippmann.

Am Mittwochvormittag hatte Scharping in Berlin einmal mehr die „friedensstiftende Rolle der Bundeswehr“ gewürdigt. Knapp ein Jahr nach Beginn des Nato-Krieges gegen Jugoslawien erklärte der Minister, Mord, Vertreibung und Gewalt in der serbischen Provinz seien beendet worden, die Menschen seien in ihre Dörfer zurückgekehrt, und im Winter hätten sie trotz der Zerstörungen beheizbare Räume vorgefunden. Dass seit Einmarsch und unter Aufsicht der Nato-Geführten Kosovo-Truppen (KFOR) mehr als 300 000 Menschen vertrieben worden sind, Mord, Plünderung und Terror gegen die nicht-albanische Bevölkerung noch immer anhalten, ließ Scharping in seiner Kriegsbilanz außen vor.

Ins Gericht mit dem Völkerrechtsbruch der Nato und dem Krieg der Allianz gegen Jugoslawien ging der außenpolitische Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion Wolfgang Gehrcke am Mittwoch. Kosovo müsse Bestandteil Jugoslawiens bleiben, wie dies auch in der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates festgeschrieben sei. Zudem müssten alle gegen Jugoslawien verhängten nichtmilitärischen Sanktionen sofort und bedingungslos aufgehoben werden. Darüber hinaus solle Jugoslawien in den Balkan-Stabilitätspakt eingebunden werden. Moralisch sei man dazu verpflichtet, sich am Wiederaufbau des Nato-Zerstörten Landes zu beteiligen, erklärte Gehrcke vor Journalisten in Berlin.

Zum Jahrestag des Kriegsbeginns informierte die PDS am Mittwoch die Öffentlichkeit über ihre Große Anfrage „Kriegsbilanz“ an die Bundesregierung. „Entstehung, Verlauf und Ergebnisse dieses Krieges wurden von seiten der Bundesregierung bislang nicht bilanziert“, kritisierte Gehrcke. Dies sei jedoch nicht zuletzt aufgrund der außerordentlichen außen- und innenpolitischen Tragweite des Krieges dringend geboten. „Als Resultat des Krieges ist der Kosovo de facto aus dem jugoslawischen Staatsverband herausgelöst worden. Bestimmte Maßnahmen wie die Einführung einer Fremdwährung, der Aufbau einer völlig selbständigen Verwaltung und eigenständiger Außenbeziehungen, insbesondere aber Flucht und Vertreibung nichtalbanischer Bevölkerungsteile laufen auf eine Zementierung dieser völkerrechtlich zweifelhaften Sezession hinaus“, stellt die PDS in ihrer 172 Fragen umfassenden Regierungsanfrage fest.

Lippmann kritisierte vor der Presse die „gezielte Desinformationspolitik der Bundesregierung“ in Sachen Einsatz von uranhaltiger Munition im Kosovo. Erstmalig am Dienstag hatte die Nato 100 Einsätze entlang der Straßen Pec-Djakovica-Prizren sowie in Gebieten um Klina und zwischen Suva Reka und Urosevac zugegeben, bei denen 31 000 Schuss panzerbrechende Munition aus abgereichertem Uran verwandt worden seien.

Lippmann verurteilte „aufs Schärfste, dass Nato und Bundesregierung ein Jahr lang die Öffentlichkeit nur unzulänglich informiert und insbesondere die Bevölkerung im Kosovo nicht ausführlich über die Gefahren beim Kontakt mit Depleted-Uranium-Munition informiert haben“. Ihre Rücktrittsforderungen an Scharping und Fischer seien eine logische Konsequenz aus dieser Kritik. Zur Teilnahme an den vielfältigen Protesten der Friedensbewegung in den kommenden Tagen wollten die PDS-Politiker Lippmann und Gehrcke ihre Parteimitglieder indes nicht aufrufen. Im Vorfeld ihres April-Parteitages will die PDS stattdessen in Bautzen und Mannheim am Wochenende ihre Haltung zu künftigen Kriegseinsätzen diskutieren.
 23. März 1999