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Kriegspropaganda: Die Mutter aller Lügen
Peter Wolter Marxistischen Blätter 14. Januar 2004


Krieg hatte schon immer eine psychologische Komponente: Alexander der Große etwa soll auf einem Rückzug Brustschilde im Super-XXL-Format „verloren“ haben, um die Verfolger einschüchternd glauben zu machen, sie hätten es mit Giganten zu tun. Und der römische Feldherr Gajus Julius Caesar (100 bis 44 v.d.Z.) schrieb seinen Klassiker „De Bello Gallico“ nicht zuletzt mit der PR-Absicht, in Rom im Gespräch zu bleiben, während er dabei war, mit seinen militärisch überlegenen Legionen Gallien zu „befreien“. Auch dieser Trick ist also nicht neu, einen Eroberungsfeldzug als „Befreiung“ zu deklarieren.

Täuschung und Beeinflussung des unmittelbaren Feindes, der eigenen oder der feindlichen Bevölkerung gehören seit Urzeiten zum Repertoire politischer und militärischer Strategen. Der katholischen Kirche kommt allerdings das Verdienst zu, diese Techniken auf den Begriff gebracht zu haben: 1622, im 30jährigen Krieg, gründete Papst Gregor XV im Zuge der Gegenreformation die „Congregatio de Propaganda Fide“. Das Gremium bestand aus 13 Kardinälen und zwei Prälaten und hatte die Aufgabe, unter Heiden und Protestanten für den katholischen Glauben zu werben und das Missionswesen zu organisieren – offenbar nicht ganz erfolglos, wie der für die katholische Kirche keineswegs nachteilige Ausgang des 30jährigen Krieges beweist. Bis in das 20. Jahrhundert hinein verstand man unter „Propaganda“ politische, religiöse und wirtschaftliche Werbung – zunächst ohne negativen Beigeschmack.

Seine Prägung im heutigen Sinne erfuhr der Begriff „Propaganda“ [1] im Wesentlichen während des Ersten Weltkrieges. Vor allem um die mehrheitlich pazifistische US-Bevölkerung zum Kriegseintritt zu bewegen, gründete die britische Regierung das „Ministry of Information“. Zielgruppe waren in erster Linie Intellektuelle und andere „Multiplikatoren“ in den USA, auch wenn seine Aufgabe offiziell damit begründet wurde, das „Denken der Welt“ zu steuern. US-Präsident Woodrow Wilson flankierte die Bemühungen durch die Gründung eines „Committee on Public Information“ (nach ihrem Vorsitzenden auch „Creel Commission“ genannt). Es betrieb so erfolgreich antideutsche Propaganda, dass das Boston Symphony Orchestra sich außerstande sah, weiter Bach zu spielen. Die Strategie ging letztlich auf: Die pazifistischen US-Bürger wurden binnen weniger Monate zu kriegslüsternen Deutschenhassern.

Protagonisten dieser zunehmend sozialwissenschaftlich untermauerten Beeinflussung waren u. a. Edward Bernays und der Publizist Walter Lippmann (beide Mitglieder der „Creel Commission“), die der sich in den USA nach dem Kriege rasch entwickelnden PR-Industrie wichtige Impulse gaben. „Die intelligenteren Mitglieder der Gesellschaft können die Bevölkerung zu allem bringen, was sie wollen”, regte Bernays an, und zwar mit Hilfe „der technischen Erzeugung von Konsens“. Dies sei die „Essenz der Demokratie“ [2]. Das Ziel dieses „social engineering“ wurde vom US-amerikanischen Kommunikationsforscher Harold Lasswell 1933 in einem Beitrag zur Encyclopedia of Social Sciences so formuliert: „Wir sollten nicht dem demokratischen Dogmatismus verfallen, dass Menschen die besten Richter sind, wenn es um ihre eigenen Interessen geht.“ Und da wir gute Humanisten seien, müssten wir für sie entscheiden und sie lenken. [3]

Nicht nur lenken, sondern auch ablenken: Von den USA ausgehend und immer stärker auch von ihr beherrscht entwickelte sich die Unterhaltungsindustrie – die Fortschritte in der Film- und Rundfunktechnik gaben entscheidende Impulse. Hollywood bemächtigte sich mehr und mehr des öffentlichen Bewusstseins, schöner Schein und billige Romantik absorbierten zunehmend das Denken vieler Menschen. Und die waren umso anfälliger dafür, je geringer ihre Schulbildung und je härter ihr Arbeitstag war. Die Konzentration aufs Triviale war somit die folgerichtige Ergänzung der Lasswellschen Forderung. [4]


Kriegspropaganda seit 1914

Die Kriegspropaganda der britischen Regierung war im 1. Weltkrieg sehr wirkungsvoll, die Deutschen hatten ihr wenig entgegenzusetzen. Durch Flugblätter oder Pressebeeinflussung wurden u. a. Schauermärchen verbreitet, deutsche Soldaten ermordeten Kinder oder schnitten belgischen Frauen die Brüste ab. Horrorgeschichten dieser Art wurden zwar nie nachgewiesen, setzten sich aber dennoch in vielen Köpfen fest. In vielen neutralen Ländern (s. USA) schlug die Stimmung allmählich gegen die „Hunnen“ um.

Nicht nur der deutsche Generalstab, auch Adolf Hitler [5], lernte aus diesen Erfahrungen. Eine deutsche Niederlage, für die auch die britische Propaganda verantwortlich gemacht wurde, sollte sich niemals wiederholen. Wir wissen heute, wie effektiv die Nazis die Propaganda perfektionierten, wie sie die neuen Medien (Rundfunk, auch mit dem Fernsehen wurde schon experimentiert) für sich nutzten, wie sie versuchten, das Bewusstsein der Menschen in seiner Totalität zu erfassen und zu lenken. Missliebige Bücher wurden verbrannt, Proteststimmen zum Schweigen gebracht: KZ, Strafbataillon, simpler Mord, Hinrichtung.

Viele derjenigen, die an der Nazi-Propaganda mitwirkten, sind uns aus der Nachkriegszeit in Erinnerung geblieben, jedoch als liberale Lichtgestalten wie etwa der „Stern“-Gründer Henry Nannen oder der WDR-Hörfunkdirektor Werner Höfer. Ein gewendeter Nazi-Propagandist war auch der Karikaturist Wolfgang Hicks (er zeichnete früher für das Nazi-Blatt „Das Reich“, später ausgerechnet für den israelfreundlichen Springer-Verlag.) Der Verbindungsmann zwischen dem Goebbels-Ministerium und dem Auswärtigen Amt brachte es gar bis zum Bundeskanzler: Kurt Georg Kiesinger (CDU).

Auch in den USA und Großbritannien brachten die Propaganda-Experten nach 1945 ihre Kriegserfahrungen in die Medien ein. Sie reichten ihr Wissen in ihre jeweiligen Besatzungszonen in Deutschland weiter: Uniformierte Spezialisten der psychologischen Kriegsführung leiteten die Neuformierung der Presselandschaft. In der amerikanischen Besatzungszone übernahm die „Abteilung für psychologische Kriegsführung“ (später: Information Control Division) die Überwachung und Umstrukturierung des gesamten Mediensektors: Zeitungen, Agenturen, Rundfunksender, Büchereien, Buchhandlungen, Theater und Druckereien.

Verantwortlich dafür war Generalmajor Alexis McClure [6], ein Pionier der psychologischen Kriegsführung. In der amerikanischen Besatzungszone wurde – zunächst mit US-Offizieren und -Technikern als Nachrichtenagentur die DENA (Deutscher Nachrichtendienst) gegründet. Deutsche Vorstandsmitglieder waren der spätere Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) und Professor Dr. Rudolf Agricola, Kommunist und später DDR-Generalkonsul in Finnland. In der britischen Besatzungszone übernahm – ebenfalls zunächst mit Militärpersonal – der Propagandaspezialist und frühere Leiter des Propagandasenders „Soldatensender Calais“, Sefton Delmer, den Aufbau des dpd (Deutscher Pressedienst). In der französischen Zone entstand die Rheina (Rheinische Nachrichtenagentur), die allerdings weniger bedeutsam war als ihre Pendants in den beiden anderen Zonen. Alle drei Agenturen fusionierten schließlich zur Deutschen Presse Agentur (dpa), die am 1. September 1948 in Hamburg ihre Arbeit aufnahm. Für die Herausgabe von Zeitungen wurden Lizenzen vergeben – anfänglich auch an Antifaschisten. In dem Maße, wie sich die Ost-West-Beziehungen verschlechterten, entfernten die Alliierten nach und nach alle Antifaschisten und vor allem alle Kommunisten aus Redaktionen und Verlagsleitungen. [7]


Kalter Krieg: Propagandaschlacht um Deutschland

Im Kalten Krieg wurden alle Register der Propagandakunst gezogen – auf beiden Seiten, wobei als neues Element vor allem auf westdeutscher Seite das Fernsehen hinzukam. Der Übergang zwischen „normaler“ Medienberichterstattung und gezielter Propaganda war fließend. Während in der SBZ und späteren DDR gestandene Funktionäre der KPD, Intellektuelle aus dem antifaschistischen Widerstand und talentierter FDJ-Nachwuchs die Medien dominierten, waren es in den Westzonen bzw. der späteren BRD mehr oder weniger gewendete Altnazis und vom angloamerikanischen Modell bürgerlicher Demokratie beeinflusste Neu-Demokraten. Darüber hinaus entwickelte der vom früheren Nazi-General Reinhard Gehlen geführte Bundesnachrichtendienst (BND) eigene Kontakte, um die Medien zu beeinflussen. [8]

Die BRD entwickelte von Anfang an eine sehr aggressive Propagandastrategie, an deren Formulierung und Umsetzung frühere Nazi-Propagandisten beteiligt waren. Nach und nach wurden entlang der DDR-Grenze wie an einer Perlenschnur TV-Sender aufgestellt, die bis weit in die DDR hinein den westlichen „way of life“ priesen. Hinzu kam der mit starken Sendern ausgestattete Deutschlandfunk, der den Auftrag hatte, sozial differenzierend in die DDR hineinzuwirken. Der Deutschlandfunk (in dessen Rundfunkrat viele Persönlichkeiten vertreten war, die auf westdeutscher Seite im kalten Krieg Rang und Namen hatten), versuchte darüber hinaus, in seinen fremdsprachigen Programmen vor allem die Verbündeten der DDR im westlichen Sinne zu beeinflussen. Jeweilige Zielgruppen: Jugendliche, Kirche und Intellektuelle. [9]

Die neu gegründete Bundeswehr schaltetet sich – anknüpfend an die Propagandaerfahrungen aus dem 2. Weltkrieg – ebenfalls in den Psychokrieg ein. Es wurden PSK-Einheiten aufgestellt (PSK=Psychologische Kriegsführung, mit Beginn der sozialliberalen Koalition wurde dieser Begriff durch das unverfänglichere Wort „Psychologische Verteidigung“ ersetzt), darunter das spätere Rundfunkbataillon Andernach. Anknüpfend an ihre Weltkriegserfahrung ließen die Psychokrieger der Bundeswehr zum Beispiel Ballons mit Millionen Flugblättern bei Westwind auf – die meisten Flugblätter landeten jenseits der DDR-Grenze auf freiem Feld. [10]

Das vom CIA gesteuerte Ostbüro der SPD, eine Art parteieigener Geheimdienst, organisierte Sabotageakte in der DDR und gab tatsächliche, provozierte oder erfundene Ereignisse an die Westpresse weiter, die sie begierig ausschlachtete. Zuträger wurden nach ihrer Verhaftung durch DDR-Behörden gerne als verfolgte Sozialdemokraten dargestellt – was den Medien wiederum als neues Propagandathema diente. [11] Hinzu kamen tränentriefende „humanitäre“ Aktionen. Die westdeutsche Bevölkerung wurde zum Beispiel aufgefordert, aus Solidarität mit den „Brüdern und Schwestern“ zu Weihnachten brennende Kerzen in die Fenster zu stellen. Über Schulen und Kirchengemeinden wurden außerdem Paketaktionen für „hungernde“ Brüder und Schwestern organisiert – die Adressen stellten die Behörden zur Verfügung.

Die DDR versuchte dagegenzuhalten, allerdings eher reaktiv und mitunter auch unbeholfen: Die Agitation war oft sehr platt, der Stil roch nach kommunistischer Funktionärssprache. Dem Deutschlandfunk setzte sie den im Westen wenig gehörten Deutschlandsender entgegen. Offenbar mehr Wirkung hatten die „Geheimsender“ Deutscher Freiheitssender 904 und Deutscher Soldatensender 935. Ersterer ging am Tage des KPD-Verbotes im Jahre 1956 in den Äther und galt als Sender der illegalen KPD, der andere nahm nach der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in der BRD seinen Betrieb auf und soll vom Ministerium für Staatssicherheit geleitet worden sein. Beide Sender standen in der DDR, erweckten aber den Eindruck, als würden sie illegal vom BRD-Territorium aus betrieben. Sie wurden von der West-Jugend gerne gehört, da sie nach dem Muster von Radio Luxemburg vor allem fetzige Unterhaltungsmusik brachten. Auch in den militärischen Bereich versuchte die DDR, propagandistisch hineinzuwirken, zum Beispiel durch zum Verwechseln ähnliche Ausgaben der Hefte „Informationen für die Truppe“, die teils per Post zugestellt, teils in Kasernen heimlich ausgelegt wurden.

Zumindest diese gröberen Formen der Propaganda wurden mit Beginn der Entspannungspolitik von beiden Seiten eingestellt.


Perfektionierung der Propaganda – Entwicklung zur langfristigen Strategie

Propaganda sucht sich Anlässe – und die Geschichte des Imperialismus zeigt, dass er sich diese Anlässe notfalls schafft. Viele Knotenpunkte der Geschichte sind mit bewussten Provokationen verbunden, deren strategisch geplante Ausschlachtung bestimmte Zielgruppen zu einer Änderung ihrer Einstellung und ihres Verhaltens veranlasste. Nur einige Beispiele seien genannt [12]:
  • Der Untergang des US-Kreuzers „Maine“ in der Bucht von Havanna im Jahre 1898 (bei dem über 250 Marinesoldaten umkamen) war Anlass für den Angriff der USA auf die damals noch spanische Kolonie Kuba. Die Spanier wurden beschuldigt, das Schiff versenkt zu haben, spätere Untersuchungen ergaben jedoch, dass die Explosion an Bord selbst stattgefunden hatte.
  • Der Reichstagsbrand 1933 wurde ganz offensichtlich von den Nazis selbst inszeniert (obwohl der „Spiegel“ hartnäckig andere Versionen verbreitet).
  • Der von der SS inszenierte polnische „Überfall“ auf den Sender Gleiwitz lieferte den Vorwand für den Einmarsch der Wehrmacht nach Polen. [13]
  • Ähnlich sah es beim japanischen Überfall auf Pearl Harbor [14] aus: Das US-Oberkommando hatte den japanischen Funkverkehr längst entschlüsselt und ließ den Angriff geschehen – 2300 Marinesoldaten kamen ums Leben. Die modernsten Flotteneinheiten, einschließlich der Flugzeugträger, waren vorher freilich abgezogen worden.
  • Der Tonking-Zwischenfall gab dem US-Militär 1964 freie Hand beim Angriff gegen Nordvietnam.
  • Ein weiteres erschreckendes Beispiel für die kaltblütige Planung von Generalstäben sind die Northwoods-Papers, in denen US-Generalstabschef Norman Lemnitzer (später Nato-Oberbefehlshaber) 1962 Pläne für inszenierte Terrorakte entwickelte, die einen Angriff auf Kuba möglich machen sollten. [15]
Beispiele aus jüngerer Vergangenheit sind die angeblichen serbischen Vergewaltigungslager in Bosnien. Zielgruppe dieser offenbar vom BND lancierten und durchaus erfolgreichen Kampagne waren vorwiegend die ebenso pazifistischen wie feministisch inspirierten Grünen in der BRD. Oder das angebliche Massaker von Racak, das den unmittelbaren Anlass für den Krieg gegen Jugoslawien lieferte. Unvergessen bleiben die phantasievollen Lügen des damaligen „Verteidigungs“ministers Rudolf Scharping (SPD), der die Stirn hatte, ohne jeden Beweis zu behaupten, serbische Soldaten hätten muslimischen Frauen die Föten aus dem Leib geschnitten und sie gegrillt wieder implantiert. Auf Föten-Rudis Konto gehen auch der Hufeisenplan sowie das angebliche KZ im Stadion von Pristina. [16] Ebenso unvergessen sind die Pressekonferenzen des Nato-Sprechers Jamie Shea, der während des Jugoslawien-Krieges den Nato-Korrespondenten mit unverfrorener Eloquenz eine Verdrehung nach der anderen auftischte – was er hinterher mit professionellem Stolz sogar zugab. Seine Dissertation hatte Shea über die britische Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg geschrieben.


PNAC: Am amerikanischen Wesen wird die Welt genesen

Den konservativen Think-Tanks in Washington, die eng verzahnt mit den jeweiligen Regierungen laufend an Strategiepapieren für die Ausweitung des US-amerikanischen Einflusses arbeiteten, war von vornherein klar, dass die im Grunde kriegsunwillige US-Bevölkerung einen äußeren Anlass, eine Provokation brauchte, um einem Krieg zuzustimmen. Oft zitiert wird die denkwürdige Pressekonferenz mit der 15jährigen Kuwaiterin Nayirah, die 1990 in Washington tränenüberströmt berichtete, sie habe mit eigenen Augen gesehen, wie irakische Soldaten kuwaitische Babies aus den Brutkästen rissen und auf dem kalten Klinikboden verrecken ließen. Die US-Bevölkerung war ebenso wie die UNO-Vollversammlung zu Recht schockiert – dem UN-Mandat für die US-Streitkräfte stand nichts mehr im Wege. Dass die Geschichte von vorne bis hinten von der PR-Agentur Hill & Knowlton erlogen und inszeniert war, kam erst später heraus. Für ihre gesamten PR-Bemühungen kassierte die Agentur 10,8 Millionen Dollar. Nayirah entpuppte sich nach dem Kriege als Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington, der während der Pressekonferenz grinsend in einer der hinteren Reihen das Schauspiel-Debüt seines Töchterchens verfolgte. Auch Amnesty International war zunächst auf das Spektakel hereingefallen, distanzierte sich jedoch später. [17]

Die wohl ausschlaggebende Blaupause für die heutige US-Strategie ist das „Project for The New American Century“. [18] Wenn man das umfangreiche Strategiepapier seiner beschönigenden und verharmlosenden Sprache entkleidet, stockt einem fast der Atem. Da wird unumwunden gefordert, dass und wie die USA in diesem Jahrhundert ihre weltbeherrschende Stellung ausbauen müssen, da werden auch die militärischen Aktivitäten zur Beherrschung der Weltölvorräte und zum strategischen Ausgreifen Richtung Asien vorgezeichnet. Den Autoren – die sich seit George W. Bush’s Amtsantritt zum großen Teil in beratenden oder exekutiven Funktionen der Regierung wieder finden – war klar, dass die US-Bevölkerung nicht ohne weiteres zu derartigen Abenteuern bereit ist. Da heißt es dann in dankenswerter Offenheit: „Der Prozess der Transformation wird, obwohl er einen revolutionären Wandel mit sich bringt, voraussichtlich von längerer Dauer sein, außer im Fall eines katastrophalen und beschleunigenden Ereignisses – wie etwa einem neuen Pearl Harbor.“ [19]

Das neue „Pearl Harbor“ trat schneller ein, als gedacht – am 11. September 2001. Mittlerweile gibt es eine Flut ernstzunehmender Literatur über diesen Terroranschlag. Die ungezählten Ungereimtheiten legen den Schluss nahe, dass der Ablauf der Ereignisse auf jeden Fall anders war, als es die US-Regierung darstellt. Es mehren sich die Stimmen, die offen US-Geheimdienste als Urheber, Beteiligte oder zumindest Mitwisser beschuldigen. [20] Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die US-Regierung bis heute keine Anstrengungen unternommen hat, die vielen offenen Fragen zu klären. US-Präsident Bush ging sogar noch einen Schritt weiter, indem er kritische Nachfragen stigmatisierte: „Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die bezwecken, die Schuld von den Terroristen selbst abzulenken, weg von den wahren Schuldigen.“ [21]

Wen wundert’s, dass nach Bundeskanzler Gerhard Schröders Erklärung, wir seien jetzt alle Amerikaner, nicht nur bürgerliche Medien sondern auch die angeblich linken „Antideutschen“ jede kritische Nachfrage als Werk von „Verschwörungstheoretikern“ abtun. [22] In einer logisch abenteuerlichen Volte werden diese Kritiker darüber hinaus auch noch mit der Keule „Antisemitismus“ bedroht – frei nach dem Motto: Wer zuerst Auschwitz sagt, hat gewonnen. [23]

Schon wenige Stunden nach den Terroranschlägen gab US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Order, mit allen Mitteln die Beteiligung des Irak nachzuweisen. Trotz aller Anstrengungen gelang es aber weder der CIA noch dem britischen MI 6, einen solchen Beweis zu liefern. Nichtsdestoweniger bemühte sich die US-Regierung auf assoziativem Wege ständig zu suggerieren, der Irak habe seine Finger im Spiel gehabt. Eine Meinungsumfrage des PEW Research Center ergab im Oktober 2002, dass 66 Prozent aller US-Bürger überzeugt waren, dass Saddam Hussein bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Hand im Spiel hatte. 79 Prozent waren überzeugt, Hussein habe bereits Atomwaffen oder stehe kurz davor, sie zu produzieren. [24]


Medien als neue Truppengattung?

Es würde den Rahmen dieses Überblicks sprengen, wenn alle bisher bekannten Details der gezielten Massenbeeinflussung im Irak-Krieg [25] aufgezählt würden. Ich will mich daher darauf beschränken, einige Strukturen aufzuzeigen und markante Ereignisse zu benennen.

Die US-Regierung hatte ein Jahr nach den Terroranschlägen zur Steuerung aller Propagandaaktivitäten gegen den Irak ein rund um die Uhr mit hochrangigen PR-Experten besetztes „Office for Global Communications“ (OGC) zusammengestellt. [26] Nach einem Bericht der Londoner „Times“ verfügte das Büro über einen Etat von 200 Millionen Dollar für den „PR blitz against Saddam Hussein“. Ziel war nicht nur das inländische Publikum, sondern auch das Ausland, wobei sich die Aktivitäten auf diejenigen arabischen Staaten konzentrierten, deren Bevölkerung skeptisch gegenüber den USA eingestellt ist. Dem OGC arbeitet das im Pentagon angesiedelte „Office of Special Plans“ (OPC) zu, das die Informationen der Geheimdienstes aufbereitet und auf die militärischen Planungen abstimmt. Berichte beider Büros werden direkt zur Londoner Downing Street weitergeleitet. Wie sich aus den Enthüllungen des BBC-Journalisten Andrew Gilligan ergab, wurde dort nicht nur der Input aus Washington, sondern auch eigenes Material „aufgepeppt“, um eine möglichst große Wirkung auf die Öffentlichkeit zu erzielen.

Wie wir heute wissen – und fast jeden Tag mit neuen Beispielen bestätigt finden – haben die Regierungen in Washington und London buchstäblich gelogen: „Am 9. Juli sagte Donald Rumsfeld mit einem Lächeln, dass Amerika nie ‚dramatische neue Beweise‘ hatte und sein Stellvertreter Paul Wolfowitz enthüllte zu einem früheren Zeitpunkt, dass das ‚Problem der Massenvernichtungswaffen‘ nur ‚aus bürokratischen Gründen‘ bestand, ‚da es der einzige Grund [für das Einmarschieren in Irak] war, dem alle zustimmen konnten.‘“ [27]

Fast alle US-Medien haben sich vor diesen Karren spannen lassen. Und nicht nur das: Sie haben aus falsch verstandenem Patriotismus und aus Gier nach Einschaltquoten aus eigenem Antrieb die Kriegshysterie durch das bewusste Verbreiten von Lügen auch noch angefacht. Die wohl unrühmlichste Rolle spielt der TV-Kanal Fox-News, dessen Berichterstattung eine eigene Untersuchung wert ist. Der klassische journalistische Ethos, der vor allem in angelsächsischen Ländern gepflegt wurde, scheint in den USA so gut wie ausgestorben zu sein – bis auf seltene Ausnahmen, die man vorwiegend in Ostküsten-Blättern findet.

„Wir alle haben diesen Krieg betrachtet, als sei er lediglich ein militärischer Konflikt. Das war er keineswegs. Es gab auch einen sorgfältig geplanten, straff überwachten und brillant umgesetzten Medienkrieg, der parallel dazu ausgetragen wurde“, schreibt der unabhängige US-Fernsehproduzent Danny Schechter. [28]

Während bei der Kriegsberichterstattung in beiden Weltkriegen sowie im Korea-Krieg noch die „klassische“ Zensur herrschte, war der Vietnam-Krieg der erste „Fernsehkrieg“. Das Militär war mit den in der Heimat ausgestrahlten Bildern jedoch unzufrieden, denn hin und wieder reflektierten sie die Realität des Krieges, zu dem eben auch Opfer gehören. Bei den Überfällen auf Grenada und Panama wurden Journalisten daher erst zugelassen, nachdem die US-Streitkräfte gesiegt hatten. Die Beschwerden der Verlage und TV-Sender wurden dann im ersten Irak-Krieg (1991) durch das „pool system“ aufgefangen – d.h., das Militär führte eine Handvoll ausgesuchter Journalisten zu ebenso sorgfältig ausgesuchten Schauplätzen. Die im sicheren Camp in der kuwaitischen Wüste wartenden Kollegen durften dann deren Berichte als eigene an die heimatlichen Redaktionen weitergeben. Das System der „embedded journalists“ im zweiten Irakkrieg ist eine Weiterentwicklung: Die Journalisten werden in Kampfeinheiten integriert. „Die Grenzen zwischen eher journalistisch orientierter Information und Psychologischer Kriegsführung sind aufgehoben“, kommentiert die Medienwissenschaftlerin Elvira Claßen. [29]


„Jetzt wird die Kriegs-Story mit den Augen der amerikanischen Bataillone gesehen, aber ohne reale Gewalt“, schreibt der ehemalige TV-Reporter Michael Burton. [30] „Amerikanische Kinder sehen im Abendprogramm mehr Gewalt als in diesem Krieg, weil die Berichte in den Redaktionen sorgfältig bearbeitet werden. Stattdessen erleben sie die Faszination durch High-Tec-Waffen, Kampftaktiken und Berichterstattung über Militärstrategien.” Hinzu kommt, dass die „eingebetteten“ Journalisten den Beginn von Kampfhandlungen so beeinflussen können, dass die Berichte pünktlich zur Prime-Time auf dem Bildschirm sind. Das Pentagon setzte dafür sogar eigene Film-Teams ein, die „combat cameras“.

Ein besonders makabres Beispiel dafür ist die Berichterstattung über die Soldatin Jessica Lynch, die angeblich aus einem irakischen Krankenhaus befreit wurde. Die Nachtsichtkamera führte ein Hollywood-Regisseur. [31] Ein ebenso unappetitliches Beispiel ist der weltweit übertragene Sturz der Saddam-Statue in Bagdad. Ähnlich wie die Brutkasten-Geschichte wurde sie von einer PR-Firma inszeniert. In den amerikanischen TV-Berichten wurde eine jubelnde irakische Masse gezeigt – ein Foto der britischen Nachrichtenagentur Reuters jedoch zeigt, dass diese „Masse“ aus etwa 150 Personen bestand, die sich auf dem von US-Panzern abgeriegelten großen Platz fast verlor. Unter den „spontanen“ Demonstranten waren Gesichter zu erkennen, die schon wenige Tage vorher im TV gezeigt wurden: Im US-Sold stehende Exiliraker, die mit dem Chef des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi eingeflogen worden waren. [32]

Verlage, Sender, Redaktionen und Journalisten haben sich für diesen Medienkrieg nicht nur rekrutieren lassen, sie eilten sogar in den meisten Fällen freiwillig zur Fahne. Wer sich dem militärischen Kommando nicht unterwarf, setzte sich - ähnlich wie bei einer regulären Teilstreitkraft – der Gefahr von Sanktionen aus. Journalisten, die nicht spurten, wurden in zahlreichen Fällen von ihren Verlegern entlassen, unsichere Kantonisten bekamen mangels Akkreditierung erst gar nicht die Chance, sich „einbetten“ zu lassen. Eine Sorge für die Propaganda-Planer waren die ausländischen Medien, die nicht unbedingt nach der Pfeife des Pentagon tanzen wollten. Büros des arabischen TV-Senders Al Jazeera wurden mehrfach bombardiert, das Hotel Palestine, in dem Journalisten untergebracht waren, wurde mit Panzergranaten beschossen. Insgesamt 15 Journalisten kamen bis Kriegsende ums Leben – die meisten von ihnen wurden von US-Soldaten getötet. „The ultimate act of censorship“ kommentierte der BBC-Journalist John Simpson auf einer Pressekonferenz in London. Für Journalisten sei das US-Militär die größte aller Gefahren in diesem Kriege gewesen. [33] „Wenn es nötig ist, bringen sie uns um“, befürchtete BBC-Anchorman Nick Gowning in einem Beitrag auf den Bieler Kommunikationstagen. [34]


Medienkonzentration

Das imperiale Ausgreifen der Öl-Junta um George W. Bush hat viele direkte und indirekte Nutznießer: Öl- und Rüstungsindustrie, Banken, Versicherungen, Brokerhäuser. Auch die Medien profitieren davon.

Die Konzentration der Medien hat in den USA in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen gewaltigen Sprung gemacht. Anfang der 80er Jahre gab es noch etwa 400 Unternehmen, die Zeitungen, Radios und TV-Sender in den USA besaßen – heute konzentriert sich der Besitz im Wesentlichen auf noch neun Konzerne. Besonders pikant: Der größte US-Fernsehsender, NBC, gehört dem weltweit größten Rüstungskonzern, General Electric. Einer der wichtigsten Förderer Bushs, Rupert Murdoch, besitzt neben Fox weltweit 140 Boulevardzeitungen, sein Imperium dominiert den Zeitungsmarkt in Großbritannien, Australien und Neuseeland. Alle diese Zeitungen haben massiv Stimmung zugunsten des Irak-Abenteuers gemacht.

Die Konzentration geht weiter, mit staatlicher Förderung. Die Federal Communications Commission (FCC) –eine Art Kartellbehörde für die Medien - setzte nach dem Ende des Irak-Krieges eine weitere „Deregulierung“ durch. Unter anderem ist es künftig möglich, dass ein Unternehmen auf den größeren, regionalen und lokalen Märkten bis zu drei Fernsehstationen besitzen darf. Landesweit darf dann ein einzelner Fernseh-Unternehmer bis zu 45 Prozent statt bisher 35 Prozent aller Zuschauer erreichen. Die Gewinner dieses Vorstoßes sind:
  • Murdoch mit Fox und Fox News
  • Viacom mit CBS
  • General Electric mit NBC
  • Disney mit ABC
  • Time-Warner/AOL
Alle zusammen erreichen heute schon 75 Prozent aller TV-Zuschauer – demnächst sind es 90 Prozent. Den genannten Konzernen gehören darüber hinaus die führenden 20 Internet-Sites in den USA. [35] Allerdings muss der Kongress noch über die am 2. Juni verfügten Änderungen befinden. Vorsitzender der FCC ist übrigens Michael Powell, Sohn des US-Außenministers.
Die Medienkonzentration auf dem riesigen US-Markt hat auch Auswirkungen auf das Medienangebot in anderen Ländern. Preiswerte – oder besser: billige – US-Serien, die fast ausnahmslos den „american way of life“ propagieren, überschwemmen die TV-Kanäle, viele TV-Nachrichten werden direkt aus US-Quellen übernommen. [36] Darüber hinaus kaufen US-Konzerne zunehmend Medien in anderen Ländern ein – erst vor einigen Monaten scheiterte Murdochs Vorstoß, Reste des Kirch-Konzerns in München zu kaufen.

In diesem Zusammenhang ergeben auch die Angriffe der britischen und der US-Regierung auf die BBC einen Sinn. Fast so viele US-Amerikaner wie Engländer schauen BBC, der Sender hat darüber hinaus eine solide Jahresrendite. Schechter vermutet, dass hinter den Angriffen vor allem die Strategie steht, den profitablen Sender einschließlich seiner Marktanteile zugunsten von Privatkonzernen zu filetieren. Der Druck auf die BBC wächst jedenfalls: Erst vor wenigen Monaten stellte die britische Kulturministerin Tessa Jowell die Erneuerung der BBC-Charta in Frage.

Auch wenn die BBC die Herren Blair, Bush & Co. hin und wieder geärgert hat (Stichworte: Jessica Lynch, David Kelly) – an ihrer grundsätzlichen Loyalität gegenüber der „Koalition“ besteht kein Zweifel. Eine Untersuchung des von Schechter gegründeten Medieninstituts Media Tenor ergab, dass die BBC während des Irak-Krieges in ihren Beiträgen weniger abweichende Stimmen zuließ als alle anderen, einschließlich der US-Anstalten.

Auch die internationalen Nachrichtenströme müssen im Auge behalten werden, wenn man die Methoden zur Beeinflussung der Weltöffentlichkeit untersucht. Den Weltnachrichtenmarkt (von der VR China abgesehen) teilen sich im Wesentlichen fünf Agenturen, die den Medien nicht nur Text-Nachrichten, sondern auch Bilder, Nachrichtenfilme und zum Teil auch Rundfunk-Beiträge anbieten: Reuters (Großbritannien), AP und UPI (USA), AFP (Frankreich) und DPA (BRD). Diese Agenturen sind teilweise durch gegenseitige Nutzungsvereinbarungen vernetzt, sie sind mitunter sehr regierungsnah und erzielen einen Teil ihrer Erträge über Wirtschafts- oder auch Börsenberichterstattung, da mit Nachrichten alleine kein Geld zu verdienen ist. Es wundert daher nicht, dass die politische Berichterstattung über Länder der Dritten Welt oft durch Wirtschaftsinteressen eingefärbt wird – wenn sie denn überhaupt stattfindet. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das Einzugsgebiet dieser Agenturen heute immer noch im Wesentlichen den politischen Einflusssphären vor dem Ersten Weltkrieg entspricht.

Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass die besorgniserregende Konzentration der Medien nicht auf die USA beschränkt bleibt. Das wohl krasseste Beispiel in Europa ist das Wuchern des Berlusconi-Konzerns in Italien. Aber auch in Deutschland gibt es eine ähnliche Entwicklung: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat zum Beispiel der Essener WAZ-Konzern nicht nur zahlreiche Zeitungen in Süd- sondern auch in Osteuropa und auf dem Balkan unter seine Kontrolle gebracht. Der frühere Kanzleramtsminister und Sonderbeauftragte der UN für den Balkan, Bodo Hombach, ist heute Geschäftsführer der WAZ-Gruppe. [37] Parallel zum Vorstoß der US-amerikanischen FCC wird auch in Deutschland darüber nachgedacht, kartellrechtliche Schranken für eine weitere Konzentration des Medienkapitals abzubauen. [38]


Grenzen der Propaganda

Wenn Propaganda nicht allgemeinen und humanitär begründeten, sondern partikularen und kurzfristigen Zielen dient, kann sie schneller an ihre Grenzen stoßen, als ihren Protagonisten lieb ist. So war es für die US-Regierung nahe liegend, zunächst einmal die antiislamische und antiarabische Karte auszuspielen, um die nötige Kriegsbegeisterung im eigenen Lande zu stimulieren. Parallel dazu wurde eine Kampagne gestartet, (etwa unter Einsatz von Muhammed Ali [39], ehemaliges Box-Idol und Vietnamkriegsgegner), um auch um die Unterstützung der arabisch/islamischen Mitbürger in den USA zu werben. Das verhinderte jedoch nicht, dass zahlreiche Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe nicht nur von Behörden schikaniert oder verhaftet, sondern in der Öffentlichkeit sogar physisch angegriffen wurden. Die offene Kriegspropaganda der US-Regierung und ihres Verbündeten Tony Blair stieß nicht nur bei immer größeren Teilen der US-Intelligenz, sondern auch im Ausland zunächst auf Skepsis, dann auf Widerstand. Umfragen zeigten, dass die Sympathiewerte der USA im Ausland spätestens mit dem Irak-Krieg drastisch zurückgingen. [40] Der mit Hilfe der Propaganda erreichte Sieg über den Irak stellt sich somit als Pyrrhus-Sieg dar: Die langfristigen Folgen dieser Einbuße an Glaubwürdigkeit lassen sich heute noch nicht absehen. Und die US-Regierung arbeitet hart daran, ihre eigene Glaubwürdigkeit weiter zu beschädigen – die Kluft zwischen offizieller (und von vielen Medien transportierter) Propaganda und der täglichen Realität im Nachkriegs-Irak wird immer deutlicher. Auch die US-freundlichen Medien hierzulande, die unverdrossen die Washingtoner Propaganda nachbeten, tappen in diese Glaubwürdigkeitsfalle. [41]


Was tun?

Dass sich ein Teil der deutschen Medien während des Irakkriegs nicht den aus Brainwashington vorgegebenen Denk- und Wahrnehmungsrichtlinien fügte, liegt sicher auch daran, dass die Bundesregierung eigene Interessen verfolgte und deswegen zu Großbritannien und den USA auf Distanz ging. Ein Krieg mit deutscher Beteiligung würde wahrscheinlich eine ähnlich desaströse Berichterstattung auslösen wie in den USA. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Jugoslawien-Krieg, in dem die deutschen Medien so kräftig mit logen, dass sich der Balkan bog.

Jeder politisch Aktive weiß, wie schwer es ist, gegen diese Massenbeeinflussung wirksame Argumente anzubringen. Es ist daher umso bedauerlicher, dass sich die deutsche Linke in den letzten Jahren nur marginal mit dem Medienpolitik und Propaganda befasst hat. Ein Beispiel dafür bot die 2. attac-Sommerakademie, die vom 1. bis 6. August in Münster stattfand: Von über 150 Seminaren behandelten gerade zwei diesen Komplex.

Es kommt nicht nur auf die Analyse aller Aktivitäten zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung an, sondern auch auf die Untersuchung der ökonomischen und strategischen Grundlagen. Dabei sollten wir nicht bei der Beschreibung von Strukturen und Methoden stehen bleiben. Offensive Antworten sind nötig:
  • Welchen Spielraum gibt es, die etablierten Medien für fortschrittlich/demokratische Politik zu nutzen?
  • Welche Chancen gibt es, alternative Medien aufzubauen, zu vernetzen und und ihre Resonanz in der Öffentlichkeit zu verbessern?
  • Welche Rolle spielt das Internet dabei? Welche Möglichkeiten bietet es heute schon und auf längere Sicht? Welche Maßnahmen der imperialistischen Regierungen sind zu erwarten, dieses zurzeit noch relativ freie Medium unter Kontrolle zu bringen? Was setzen wir dagegen?
  • Wie kann die Linke mehr Medienkompetenz erwerben?
  • Welche medialen Bedürfnisse unserer Mitmenschen können und müssen wir befriedigen?
Es sollte auch untersucht werden, welche Rolle die Propagandakampagnen des Kalten Krieges langfristig auf das Bewusstsein der Bevölkerung hatten. Die ständigen Verdrehungen der Wirklichkeit und die jahrelange propagandistische Hetze haben in den Köpfen vieler Menschen ihre Spuren hinterlassen. Das alles wirkt heute noch nach und behindert die Zusammenarbeit sozialistischer und bürgerlich-radikaler Kräfte.

Gerade für Kommunisten ist es wichtig, auch die Rolle der Parteipresse zu hinterfragen: Reicht Lenins Wort: „Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator.“ [42] heute, im Zeitalter des Satelliten- und Kabelfernsehens sowie des Internets noch aus? Und wenn ja: Wird diese Forderung erfüllt?

Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Linke der Propagandamaschine der imperialistischen Regierungen zurzeit wenig entgegen zu setzen hat. Wir sollten das ändern.



Fußnoten:

  1. Die marxistische Definition des Begriffs „Propaganda“ wird in diesem Beitrag ausgeklammert. [back]
  2. Zitiert nach Noam Chomsky, interviewt von David Barsamian: http://www.zmag.de/article/article.php?id=754[back]
  3. Harold Lasswell, in „Encyclopedia of Social Sciences“, zitiert nach Chomsky (a.a.0.) [back]
  4. Dazu ein interessanter Gedanke von Chomsky (a.a.0.): Der Taylorismus – also die Einpassung des Menschen in die industrielle Maschinerie fand darin seine Ergänzung: Der Mensch musste nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch in seiner Freizeit funktionieren. [back]
  5. Adolf Hitler, „Mein Kampf“ (1925): „Zu welchen ungeheuren Ergebnissen aber eine richtig angewendete Propaganda zu führen vermag, konnte man erst während des Krieges ersehen. Leider war jedoch hier wieder alles auf der anderen Seite zu studieren, denn die Tätigkeit auf unserer Seite blieb ja in dieser Beziehung mehr als bescheiden. Allein, gerade das so vollständige Versagen der gesamten Aufklärung auf deutscher Seite, das besonders jedem Soldaten grell in die Augen springen musste, wurde bei mir der Anlass, mich nun noch viel eindringlicher mit der Propagandafrage zu beschäftigen.“ [back]
  6. http://www.psywarrior.com/mcclure.html [back]
  7. Einige Beispiele: Agricola musste nach kurzer Zeit die DENA verlassen. Im August 1948 wurde ihm auch die Lizenz für die „Rhein-Neckar-Zeitung“ entzogen. Emil Carlebach, einer von zwei kommunistischen Lizenträgern der „Frankfurter Rundschau“, wurde 1947 gefeuert. Das zweite KPD-Mitglied, Arno Rudert, fügte sich den Wünschen des US-Militärs und durfte bleiben. Er wurde deswegen aus der KPD ausgeschlossen. Oder der Antifaschist und Sozialdemokrat Fritz Eberhard , der sich als Intendant des Süddeutschen Rundfunks bis 1958 halten konnte. Er wurde, wie Eberhardt dem Autor mitteilte, wegen allzu großer DDR-Freundlichkeit durch Intervention Adenauers von seinem Posten entfernt. [back]
  8. „Undercover – Der BND und die deutschen Journalisten“, von Erich Schmidt-Eenboom, Köln 1998 [back]
  9. s. Magisterarbeit von Peter Wolter, FU Berlin 1976, „Die politische Funktion des Deutschlandfunks“ [back]
  10. s. Jo Angerer, „Schlacht um Herzen und Hirne, Die Geschichte deutscher Kriegspropaganda“, (http://www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-93/9330601m.htm): „Die PSV-Truppe der Bundeswehr hatte Geschichte. Und die war eng verknüpft mit dem Namen jenes Dr. Eberhard Taubert, der im Zweiten Weltkrieg die „Abteilung Ost“ im Reichspropaganda-Ministerium leitete. Nach dem Krieg diente sich Propagandist Taubert dem frischgebackenen „Gesamtdeutschen Ministerium“ an und gründete den privaten Propaganda-Verein „Volksbund für Frieden und Freiheit“, kurz „VfFF“. Der „VfFF“ erhielt Zuwendungen aus dem Etat des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen“, bestätigt die Bonner Hardthöhe. Die Spezialität des „Volksbundes“: Hetzangriffe auf Personen wie Gustav Heinemann und Martin Niemöller. Beide werden ausdrücklich genannt in einer Broschüre mit dem Titel: „Stalins Helfershelfer am Werk“.“ [back]
  11. Neben dem „Ostbüro“ gab es eine Vielzahl geheimdienstlich gesteuerter Organisationen, die z.T. sogar Sabotageakte in der DDR verübten. Am bekanntesten wurde die „Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit“. [back]
  12. Während des Nahostkrieges 1967 griffen am 8. Juni israelische Kampfflugzeuge das in internationalen Gewässern vor der Küste kreuzende Spionageschiff “USS Liberty” mit Raketen, Maschinenkanonen und Napalmbomben an, außerdem wurde das deutlich als US-Schiff markierte Fahrzeug von Torpedos getroffen. 34 Seeleute kamen dabei ums Leben, 172 wurden verwundet. Bis heute wird dieser Zwischenfall von beiden Regierungen als „tragischer Fehler“ kommentiert, eine offizielle Untersuchung fand nie statt. Am 22. Oktober 2003 brachte eine private Kommission ehemaliger hoher Regierungsbeamter und Offiziere in einer Pressekonferenz im Weißen Haus Licht ins Dunkel dieses Vorfalls: Vom Kommandanten der „Liberty“ angeforderte US-Flugzeuge, die von zwei Flugzeugträgern der 6. Flotte gestartet waren, wurden demnach von Verteidigungsminister Robert McNamara persönlich zurückbeordert. Zu den Motiven der Israelis heißt es in einem Anhang zum Untersuchungsbericht: „Israel’s motive for launching the attack has never been determined with certainty. This is why an impartial investigation is critical. One hypothesis is that Israel intended to sink the ship (with no survivors) and blame Egypt because this might have brought the United States into the 1967 war. Another hypothesis is that the Liberty was gathering intelligence about activities that Israel did not want revealed. Examples might include the massacre of Egyptian prisoners of war that was then occurring in the Sinai, as well as Israel’s impending invasion of Syria“ Vgl. Hierzu den WDR-Film „Angriff auf die Liberty – warum Israel im Sechstagekrieg ein US-Schiff bombardierte“, ausgestrahlt am 12. September 2003. [back]
  13. Um der Öffentlichkeit überzeugende Fotos von erschossenen Mitgliedern des „polnischen“ Überfallkommandos bieten zu können, sollen in der selben Nacht noch zwei in polnische Uniformen gekleidete Leichen aus dem KZ Sachsenhausen herangeschafft worden sein. [back]
  14. Robert Stinnett, „Pearl Harbor. Der Tag der Täuschung“, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt 2003 [back]
  15. Das Dokument wurde unter dem „Freedom of Information Act“ vor einigen Jahren freigegeben. Herunterzuladen im Internet unter: http://www.gwu.edu/%7Ensarchiv/news/
    20010430/northwoods.pdf [back]
  16. Siehe hierzu den WDR-Film aus der Monitor-Redaktion „Alles begann mit einer Lüge“ von Jo Angerer und Mathias Werth [back]
  17. Sheldon Rampton / John Stauber „Weapons of Mass Deception“, New York 2003, S. 69 ff. [back]
  18. Rampton/Stauber, a.a.O. S. 46 ff. und 120 ff. [back]
  19. Das Dokument kann im Internet herunter geladen werden: http://www.newamericancentury.org/
    RebuildingAmericasDefenses.pdf. Die zitierte Passage findet sich auf S. 51. Zum Vergleich eine ähnliche Aussage, die 62 Jahre älter ist: „Ich werde propagandistischen Anlass zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. (Hitler am 22. August 1939, zitiert nach Wuermeling, Henric L. „August ’39“, S. 21) [back]
  20. eine Auswahl: Andreas Hauß/Mathias Bröckers: Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9. Frankfurt a.M. 2003; Gerhard Wisnewski: Operation 9/11. Angriff auf den Globus. München 2003; Andreas von Bülow: Die CIA und der 11. September. Internationaler Terror und die Rolle der Geheimdienste. München 2003 [back]
  21. Bush am 10. November 2001 in der UNO [back]
  22. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges glaubten einige hundert Millionen Menschen, der Sender Gleiwitz sei tatsächlich von polnischen Soldaten überfallen worden. [back]
  23. Die Wiener Zeitung „DER STANDARD“, berichtete am 19. November 2001: „Journalisten des Springer-Verlags (Bild, Welt) dürfen keine Kritik an den Militärschlägen der USA üben. Denn kurz nach dem 11. September wurde in die Arbeitsverträge die Verpflichtung zu ‚Solidarität mit den USA‘ aufgenommen. ‚Dieser Passus ist eine Beleidigung gegenüber den USA, dem Vorbildland der freien Presse‘, kritisiert der Beauftragte der OSZE für die Medienfreiheit, Freimut Duve, im Gespräch mit dem STANDARD. ‚Diese Selbstbeschränkung führt weg vom professionellen Journalismus. Der Gegenstand außenpolitischer Berichterstattung wird damit halbiert.‘ Aber auch in den USA ortet Duve problematische Entwicklungen: Zwei Journalisten von der Texas City Sun und vom Daily Courier in Oregon wurden entlassen, weil sie kritische Kommentare über US-Präsident George Bush geschrieben hatten.“ Sheldon/Stauber, a.a.O., S. 78 ff. Der „Christian Science Monitor“, berichtete am 13. März 2003: „In a Knight Ridder poll, 44 percent of Americans reported that either ‚most‘ or ‚some‘ of the Sept. 11 hijackers were Iraqi citizens. The answer is zero.“ [back]
  24. Der völkerrechtswidrige Angriff auf den Irak ist der 73. koloniale Krieg, den die USA seit Ende des Zweiten Weltkrieges geführt haben. Hinzu kommen hunderte „special actions“, die mit Mord und Blutvergießen verbunden waren. [back]
  25. Sheldon/Stauber, a.a.O., S. 38 ff. [back]
  26. Krieg gegen die Wahrheit, von John Pilger (http://www.zmag.de/artikel.php?id=770) [back]
  27. Danny Schechter, Blogging the war away – Selling the cheerleading war [back]
  28. (http://www.freeindiamedia.com/america/
    28_july_03_america3.htm) [back]
  29. „Kriegs-Marketing“, von Elvira Claßen, Marxistische Blätter Spezial I-2003, S. 42 [back]
  30. zitiert nach Schechter, a.a.O. [back]
  31. Der BBC hat die „Befreiung“ von Frau Lynch nachrecherchiert und kam zu dem Ergebnis, dass an der offiziell präsentierten Seifenoper so gut wie nichts stimmt. Der BBC-Film kann von der Homepage der DKP Münster herunter geladen werden: www.muenster.org/dkp-ms. [back]
  32. http://globalresearch.ca/articles/NYI304A.html. Chalabi wurde in Jordanien wegen Bankbetrugs zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt, was die US-Regierung jedoch nicht hindert, ihn als ihren Vertrauensmann im Irak zu betrachten. [back]
  33. Zitiert nach The Guardian, http://media.guardian.co.uk/Print/0,3858,4700663,00.html [back]
  34. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/14777/1.html [back]
  35. zitiert nach; John Pilger, Krieg gegen die Wahrheit (http://www.zmag.de/article/article.php?id=770) [back]
  36. vgl. „Kultur des Todes- US-Unterhaltungsindustrie und Kriegspropaganda im Zeichen einer neuen Weltordnung“, von Peter Bürger in Marxistische Blätter Spezial 1-2003, S. 47 ff. [back]
  37. Vor der Übergabe seines Postens an Bodo Hombach wird WAZ-Geschäftsführer Erich Schumann vom „Extradienst“ (ED 17-18/2003 3. Oktober 2003) folgendermaßen zitiert: „Wer weiß schon, dass wir 43 Prozent unseres Umsatzes im Ausland tätigen.“ Dazu gehörten Länder wie Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Serbien, Kroatien. „Und wir werden dieses Engagement weiter ausbauen, in anderen EU-Beitrittsländern bis hin zur Türkei.“ [back]
  38. Der Spiegel, 36/2003, S. 84 [back]
  39. Elvira Claßen, a.a.O. S. 39 [back]
  40. Sheldon/Stauber, a.a.O. S. 6;: „On March 18, 2003, the Pew Research Center for the People and the Press published a survey showing where world opinion stood as the war with Iraq commenced. Alarming statistics were starting to appear even in countries that were longtime U.S. allies. Since the beginning of 2002, the percentage of people in France, who held a favourable view of the United States hat dropped from 63 to 31. In Italy, the percentage had fallen from 70 to 34; in Russia, from 61 to 28; in Turkey, from 30 to 12. Even in England, only 48 percent of the population held a favourable view of the United States, down from 75 percent the previous year.“ [back]
  41. Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung über die „Geberkonferenz“ in Madrid, die sich als Fehlschlag für die USA entpuppte. Die FAZ berichtete am 24. Oktober 2003: „Die Zusagen für Irak-Hilfen aus aller Welt haben auf der internationalen Geberkonferenz in Madrid die Erwartungen weit übertroffen.“ Vgl. hierzu die Analyse von Herbert Docena „Spoilers crash the spoils party in Iraq“, (abrufbar unter http://www.zmag.org/ZNET.htm) [back]
  42. Lenin Werke, Bd. 5, S. 522 [back]
 14. Januar 2004