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Rotgrün bombt den Weg frei
die Agentur 27. Januar 2002


Die rotgrüne Bundesregierung führte 1999 den ersten Kriegseinsatz mit der Beteiligung deutscher Truppen seit dem Ende des Nationalsozialismus durch. Die konservativliberale Vorgänger-Regierung hatte davor über zehn Jahre lang an der Normalisierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr gearbeitet und damit eine Steilvorlage für den Angriff auf Jugoslawien geboten. Das faktisch widerstandslose Verankern von Krieg als legitimem Mittel zur Durchsetzung außenpolitischer Interessen Deutschlands gelang jedoch erst den ehemaligen Friedensbewegten von Rotgrün.

Sie schafften damit die letzten militärischen Einschränkungen Deutschlands, die als Lehren aus der Nazi-Zeit von den Alliierten bis zu den „2+4-Geprächen“ aufrechterhalten wurden, aus dem Weg. Vollständige Souveränität nach 1990 heißt, mit allen Mitteln bei der Durchsetzung des weltweiten Zugangs Deutschlands zu Ressourcen und Absatzmärkten mitzukämpfen. Die Zielsetzungen, die Schäuble und Lahmers für den „Platz an der Sonne“ Anfang der Neunziger formulierten, werden auch von Rotgrün in modifizierter Form fortgeführt. Neu war bei ihnen eher die Legitimierung des Krieges gegen Jugoslawien mit den Untaten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und Auschwitz. Diese orteten Scharping und Fischer plötzlich im Kosovo: Milosevic wurde zu Hitler und die serbische Polizei zur SS erklärt. So einfach lässt sich scheinbar die deutsche Vergangenheit abwälzen. Das, weswegen Deutschland nie wieder Krieg führen sollte, wurde damit zur Begründung des nächsten.

Während die CDU/CSU bis dato das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus eher verdrängen wollten, instrumentalisierten die Rotgrünen dieses im deutschen Interesse. Mit dieser Verkehrung wurde Deutschland zum antifaschistischen Hüter der Menschen- und Minderheitenrechte deklariert. Trotz immenser „innerer Zerrissenheit“ wird dabei von rotgrüner Seite auch zu Krieg – der je nach Situation „humanitärer Einsatz“ oder „friedensschaffende Maßnahme“ genannt wird – als Mittel zur Durchsetzung der von ihnen repräsentierten Interessen gegriffen. Mit diesem legitimatorischen Spagat fiel der Widerstand gegen den ersten deutschen Kriegseinsatz nach ’45 in diesem Land mehr als dürftig aus. Die staats- und militärkritischen Spektren der Achtziger ließen sich größtenteils von menschenrechtelnder Rhetorik ihrer ehemaligen WeggefährtInnen in die Staatsräson integrieren. Aus den gleichen Gründen, aus denen sie zwanzig Jahre vorher gegen Krieg waren, sind sie jetzt dafür.

Ein entscheidender Faktor dabei scheint zu sein, dass die aggressive Außenpolitik Deutschlands jetzt nicht mehr revanchistisch, sondern als angebliche Verteidigerin suprastaatlicher Menschheitsideale auftritt. Schröder läuft nicht wie Kohl über SS-Gräber in Bitburg, sondern lässt die Bundeswehr am Gedenktag zum 20. Juli-Attentat auf Hitler ihren Eid sprechen. Die Attentäter werden in diesem Kontext als positive Traditionsstifter generell zu antifaschistischen Widerstandskämpfern gekürt, trotz der direkten Beteiligung von einigen dieser an Vernichtung der jüdischen Gemeinde. Oberflächlich betrachtet erscheint die jetzige Bundesregierung mit solchen Bezügen als geläutert genug, wieder Kriege führen zu dürfen.

Die Begründungen mögen sich ändern, die Interessen bleiben tendenziell die gleichen. Beim laufenden Kriegseinsatz in Afghanistan argumentierte beispielsweise schon niemand mehr mit dem Vorwand der Verhinderung eines Faschismus wie im Fall des Angriffs auf Jugoslawien. Die „zivile Bürgergesellschaft“ hat die „Schlussstrich“-Funktion erfüllt. Die rotgrüne Regierung versucht nicht mehr Großmacht zu werden, sie handelt schon als solche. Schröder formulierte dieses Projekt in der Regierungserklärung 1998 als „selbstbewusste Nation“, die somit auch „selbstbewusst“ Kriege führen kann. Stoiber wird sich auf jeden Fall über diese Vorarbeit der rotgrünen „Neuen Mitte“ freuen.
 27. Januar 2002