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Rot scheint die Sonne im Kongo
www.german-foreign-policy.com 14. Juni 2006


Die vor ihrer Verlegung in den Kongo stehenden deutschen Truppenteile werden von einer berüchtigten Eliteeinheit angeführt. Dabei handelt es sich um die Luftlandebrigade 26 der Bundeswehr, die wegen ihrer skandalösen Traditionspflege mehrmals zu öffentlicher Empörung Anlass gab. Dies ergeben Recherchen von german-foreign-policy.com. In einer Selbstdarstellung rühmte die Brigade, die rund 300 der insgesamt 780 deutschen Kongo-Militärs stellt, die „Waffentaten“ ihrer NS-Vorgänger bei der Okkupation Griechenlands. Dort waren im Frühjahr 1941 deutsche Luftlandetruppen über die Insel Kreta hergefallen. Noch während der Kämpfe ermordeten die Besatzer mehrere Hundert Inselbewohner („Operation Merkur“). Im Kongo kommt es zu ersten Massendemonstrationen gegen die bevorstehende Intervention deutscher und verbündeter Truppen. Am vergangenen Montag protestierten mehrere Tausend Menschen in drei Städten des Landes, für Ende Juni sind Massendemonstrationen angekündigt. Beobachter in Kinshasa rechnen mit dem Einsatz europäischer Soldaten gegen oppositionelle Demonstranten und befürchten für diesen Fall eine unkalkulierbare Eskalation. Ein EU-Vorauskommando unter Beteiligung der Bundeswehr ist bereits in der kongolesischen Hauptstadt eingetroffen.

Die für den Kongo-Einsatz bereitstehende Luftlandebrigade 26 ist bislang an den meisten Auslandsoperationen der deutschen Armee beteiligt gewesen. Die auch „Saarland-Brigade“ genannte Einheit operiert unter dem Motto „Einsatzbereit – jederzeit – weltweit“.


Einnahme von Schlüsselgelände

Soldaten der Luftlandebrigade 26 nahmen am ersten Bundeswehr-Auslandseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso teil (1992/93 in Kambodscha) wie am zweiten in Somalia (1993/94). Offiziere der Truppe taten 1995 in Kroatien Dienst und rückten wenige Jahre später in den Kosovo ein. Im März 1997 leitete der Kommandeur der Brigade eine spektakuläre Evakuierungsaktion in der albanischen Hauptstadt Tirana, bei der er den ersten Feuerbefehl in der Geschichte der Bundeswehr erteilte. Auch in Afghanistan hat der Verband umfassende Einsatzerfahrung gesammelt. Die Luftlandebrigade 26 gehört zur Elite-Einheit Division Spezielle Operationen (DSO) und setzt sich aus mehreren Fallschirmjäger- und Luftlande-Einheiten zusammen. Zu ihren grundsätzlichen Aufgaben gehören Schutz- und Evakuierungsoperationen, so genannte Anfangsoperationen (Einnahme und Halten von Schlüsselgelände, um den Einsatz weiterer militärischer Kräfte zu ermöglichen) und Spezialeinsätze hinter den feindlichen Linien.


Besondere Truppe

Während Mitglieder der Einheit im Ausland operierten, waren die Luftlandebrigade 26 und ihre Teiltruppen immer wieder Gegenstand von Skandalen – und wurden von der Bundesregierung gedeckt. Im Jahr 1995 enthüllte eine Fernsehdokumentation fragwürdige Traditionsbezüge. [1] „Schon im Zweiten Weltkrieg waren die Fallschirmjäger der Deutschen Wehrmacht eine besondere Truppe“, hieß es in einer Selbstdarstellung der Brigade, die darin mitteilte, die „Waffentaten“ der Fallschirmjäger auf Kreta seien „Legende geworden“ und würden „gerühmt“. Dies sei „aus militärhistorischer Sicht sachlich zutreffend und gibt keinen Anlass, dagegen einzuschreiten“, urteilte der damalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Dr. Peter Wichert am 24. August 1995. [2] Tatsächlich verübten die damaligen Fallschirmjäger auf Kreta Massaker, bei denen innerhalb weniger Wochen mehr als 2000 Zivilpersonen ermordet wurden.


Eins zu zehn


Noch während der Kämpfe um die militärische Kontrolle der Insel im Mai 1941 ordneten deutsche Kommandeure Massenhinrichtungen an. So heißt es etwa in einem Befehl des Wehrmacht-Generalmajors Julius Ringel, es seien „für jeden Verwundeten oder Gefallenen zehn Kreter zu erschießen“. Auch müssten „Gehöfte und Dörfer, in denen deutsche Truppen beschossen werden“, niedergebrannt sowie „in allen Orten Geiseln“ sichergestellt werden. General Kurt Student befahl, „alle Maßnahmen mit größter Beschleunigung durchzuführen, unter Beiseitelassung aller Formalien und unter bewusster Ausschaltung von besonderen Gerichten“. Der übliche Justizweg komme „für Bestien und Mörder nicht in Frage“, urteilte der deutsche Militär über die Zivilbevölkerung Kretas, die bis Kriegsende nach griechischen Schätzungen mehr als 10 000 Opfer des deutschen Besatzungsterrors zu beklagen hatte. [3]


Täuschung

1998 enthüllte eine weitere Fernsehdokumentation umfangreiche Kreta-Aktivitäten der Luftlandebrigade 26. [4] Demnach pflegten Soldaten der Einheit die Gräber der Wehrmachts-Fallschirmjäger, die auf der Mittelmeer-Insel bestattet sind. Zudem hielt die Brigade über mehrere Jahre so genannte Führer-Weiterbildungen auf Kreta ab. Das Thema der im August 1997 abgehaltenen Lehrveranstaltung etwa lautete: „Taktische Weiterbildung der Kompaniefeldwebel und weiterer Portepeeunteroffiziere der Luftlandebrigade 26 am kriegsgeschichtlichen Beispiel des Unternehmens Merkur“ – dem mörderischen Luftlandeangriff der NS-Wehrmacht. Zu den Lernzielen der „Führer-Weiterbildung“ von 1997 habe neben dem Erlangen von „Kenntnisse(n) über die militärische Lage, Bevölkerung und Umweltbedingungen“ und der Vermittlung der „Bedeutung von Überraschung und Täuschung“ auch das Wissen über die „Bedeutung des Völkerrechts in kriegerischen Auseinandersetzungen“ gehört, teilte Staatssekretär Dr. Wichert am 14. August 1998 mit. [5]


Waffen-SS

Erneut Anlass für bundesweite Aufmerksamkeit wurde die Luftlandebrigade 26 im Jahr 2003, als Verteidigungsminister Struck den Kommandeur des Kommando Spezialkräfte, Reinhard Günzel, wegen dessen Unterstützung für eine antisemitische Rede entließ. [6] Günzel hatte zuvor über mehrere Jahre das Fallschirmjägerbataillon 262 [7], eine Teiltruppe der Luftlandebrigade, geleitet und das dort übliche Absingen der inoffiziellen Fallschirmjäger-Hymne „Rot scheint die Sonne“, eines 1940 komponierten NS-Liedes, stets für gut befunden. Später wurde er stellvertretender Kommandeur der Luftlandebrigade. „Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS“, soll Günzel während einer Kriegsübung geäußert haben. [8] Eine weitere von ihm geleitete Bundeswehr-Einheit war im Jahr 1997 in einen der Bundeswehr-Folterskandale verwickelt.


Schwerpunkt

Zu den Aufgaben der deutsche Kongo-Soldaten gehören neben Tätigkeiten im Fernmelde- und Sanitätswesen auch die Koordination des Einsatzes mit zivilen Stellen sowie so genannte psychologische Operationen. [9] Während diese Aufgaben in gemischtnationalen Verbänden durchgeführt werden, ist die militärische Aufklärung („Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconnaissance“) allein deutschen Militärs vorbehalten. Einen weiteren Schwerpunkt des deutschen Aufgabenbereiches bildet die eventuelle Evakuierung von gefährdetem westlichem Personal, sollte die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo gegen die ausländische Intervention Widerstand leisten. Diese Aufgabe ist den rund 300 Soldaten der Luftlandebrigade 26 vorbehalten.


Boykott

Noch vor Eintreffen des deutschen Hauptkontingents formiert sich der kongolesische Widerstand. Bereits am vergangenen Wochenende haben rund 700 Exil-Kongolesen in Brüssel gegen die Militäroperation demonstriert, am Montag gingen in Kinshasa, Mbuji-Mayi und Mwene Ditu mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Beobachter rechnen damit, dass die Proteste andauern werden; für den 30. Juni sind Massendemonstrationen angekündigt. In Kinshasa gilt eine Eskalation als nicht ausgeschlossen, sollten im Juli europäische Truppen gegen Demonstranten eingesetzt werden. Dabei wird sorgfältig registriert, dass der deutsch-französische Militäreinsatz ohne London erfolgt; Großbritannien entsendet keine Soldaten. Nach Informationen dieser Redaktion ziehen wütende Gegner der europäischen Truppenintervention inzwischen einen Boykott deutscher Waren in Betracht.

Zum Kongo-Einsatz der Bundeswehr finden Sie weitere Materialien im Länderarchiv von german-foreign-policy.com oder hier: Politisch schwieriges Terrain, Kriegsressourcen (I), Kriegsressourcen (II), Kriegsressourcen (III), Begrüßt und fortgeschrieben, Sie stehen bereit und Interview mit Dr. Helmut Strizek


Fußnoten:
  1. Katrin Brüggemann, Alexander Goeb, Peter Kleinert: „Friedensengel Teil I und II“. Die Saarlandbrigade – eine Eliteeinheit der Nato, und Die Saarlandbrigade und ihre Vorbilder auf Kreta, 1995 [back]
  2. Deutscher Bundestag: Drucksache 13/2238 [back]
  3. Ungesühnt. Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944; junge Welt 4. Juli 2000. Grüne Teufel singen; junge Welt 20. März 2003 [back]
  4. Fred Kowasch: „Die Schlacht um Kreta. Traditionspflege bei der Bundeswehr“, Kennzeichen D, 22. Juli 1998 [back]
  5. Deutscher Bundestag: Drucksache 13/11361 [back]
  6. siehe auch Deutsche Medienhilfe [back]
  7. heutige Bezeichung der Einheit: Luftlandeunterstützungsbataillon 262 [back]
  8. Ein General wechselt die Front; taz 24. Mai 2004 [back]
  9. siehe dazu Rechtzeitig ordnen und Aufklärung [back]
 14. Juni 2006