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an der US-Air-Base Rhein-MainRedebeitrag von Thomas Klein  3. Oktober 2003 
 
 I. Rhein-Main-Air-Base und 
die laufende Kriegsvorbereitung
 
 Heute an der Air-Base zu demonstrieren, heißt an dem Ort zu sein, der eine 
wichtigere Funktion in der gegenwärtig laufenden Kriegsvorbereitung hat, 
als vielen bewusst sein dürfte.
 
 Geht es nach den Vorstellungen der US-Regierung wird an den Planungen für 
einen Krieg gegen den Irak im kommenden Winter festgehalten. Januar oder Februar, 
so die Informationen aus Kreisen von Militärexperten, soll der Angriff beginnen. 
Das bedeutet: In den nächsten vier Monaten wird es weiter eine große 
Zahl von Militärflügen von den rheinland-pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkten 
Spangdahlem und Ramstein, und von hier, von der Rhein-Main-Air-Base geben.
 
 Wer sich dem zweifelhaften Vergnügen unterzieht, bei offiziellen Stellen 
nachzufragen, was denn die große Zahl der für infernalischen Lärm 
sorgenden Starts und Landungen der Galaxy-Militärmaschinen zu bedeuten hat, 
bekommt derweil die immer gleiche Antwort: Die Flüge sind notwendig im Rahmen 
des Kampfes gegen den Terrorismus. Von Hilfsflügen ist die Rede und von Nachschub 
für Afghanistan.
 
 Komisch nur, dass nach Informationen internationaler Fluggesellschaften das Ziel 
der meisten US-Militärmaschinen Katar ist. Und von hier aus werden sogar 
nach Angaben des US-Heeresministers Thomas White, Waffen und Ausrüstungsgegenstände 
auf einen US-Stützpunkt in Kuwait nahe der irakischen Grenze verlegt.
 
 Uns wird in dieser Frage in den nächsten Wochen ganz sicher noch eine wenig 
ansehnliche Schmierenkomödie vorgespielt. Das US-Militär spricht weiter 
von Hilfsflügen oder der notwendigen Versorgung der Truppen in Afghanistan 
– der Bundesregierung liegen unterdessen keine Erkenntnisse vor, dass von 
hier aus die Vorbereitungen für einen neuen Waffengang auf Hochtouren laufen.
 Und überhaupt: Die Frage der Nutzung der in Deutschland gelegenen Flughäfen 
für den ins Auge gefassten Krieg stellt sich angeblich nicht.
 
 Geht es um Krieg und Frieden, um die Gefährdung der Bevölkerung in Flughafenanrainergemeinden 
durch mit Waffen und Munition vollgeladene Maschinen, geht es um die Vorbereitungen 
eines Waffengangs der mehreren zehn- oder sogar hunderttausend Menschen das Leben 
kosten kann, dann wird gelogen dass sich die Balken biegen. Dann stellen sich 
bestimmte Fragen einfach nicht, oder werden nicht beantwortet. Das hat hierzulande 
durchaus auch schon eine längere Tradition.
 Ein Beispiel: Bis Anfang/Mitte der achtziger Jahre gab es in der Türkei nur 
einige kleine rüstungsproduzierende Firmen. Von einer relevanten Rüstungsindustrie 
konnte keine Rede sein. (Mittlerweile ist das anders).
 Jahrzehntelang hing der Nato-Partner Türkei hinsichtlich der Ausrüstung 
seiner Armee am Tropf der USA und der Bundesrepublik. Über 90 Prozent der 
Waffen und Ausrüstung der türkischen Landstreitkräfte kam in den 
Jahren des Kalten Krieges aus diesen beiden Ländern.
 
 Innerhalb der NATO gab es lange Zeit so etwas wie eine Zuständigkeit der 
Bundesrepublik für Ankara. Stolz erklärten zahlreiche deutsche Waffenschmieden, 
sie würden mit der Türkei hervorragende Geschäfte machen.
 Wenn es aber darum ging, dass das Land bei den Dorfzerstörungen in den kurdischen 
Gebieten, bei den völkerrechtswidrigen Vorstößen auf nord-irakisches 
Territorium, bei den zahllosen Menschenrechtsverletzungen nicht zuletzt deutsche 
Waffen einsetzt, und Friedens- und Menschenrechtsgruppen ein sofortiges Waffenembargo 
forderten, dann hatten sich die deutschen Panzern, die G-3-Gewehre, das zahlreiche 
Kriegsgerät aus Deutschland nach Ansicht offizieller Stellen offenbar in 
Luft aufgelöst.
 
 Es gab Anfang der neunziger Jahre eine Zeit, wo in den 19 Uhr Nachrichten im ZDF 
ein deutscher Panzer – im kurdischen Kriegsgebiet im Einsatz – durch 
Millionen Wohnzimmer rollte, und der damalige Außenminister Klaus Kinkel 
um 20 Uhr in der Tagesschau erklärte, er habe keine Erkenntnisse, dass die 
Türkei deutsche Waffen einsetzt.
 
 
 Nach einem ähnlichen Strickmuster wird die Diskussion um die Nutzung hiesiger 
Flugplätze auch verlaufen. Die Bundesregierung wird in nächster Zeit 
alles tun, die zahlreichen Starts von Militärflugzeugen als Teil des Kampfes 
gegen den Terrorismus, sprich als notwendig für den ja noch nicht beendeten 
Krieg in Afghanistan, hinzustellen.
 Belege für diese Verdrehung der Tatsachen bzw. Verleugnung der eigentlichen 
Vorgänge, der laufenden Vorbereitung für einen von der US-Administration 
im Schulterschluss mit der Regierung Blair ins Auge gefassten Krieg, sind nun 
fast tagtäglich der Presse zu entnehmen.
 
 Für die Regierung steht nach der Wahl vom 22. September auf außenpolitischer 
Ebene „Schadensbegrenzung“ und „Normalisierung der Beziehung 
zu den USA“ auf der Tagesordnung. Und innenpolitisch geht es darum unbequeme 
Fragen und Bedenken der Bevölkerung zu deckeln.
 
 Nach den Plänen der Militärs wird bis zum Jahr 2006 der Ausbau der in 
Rheinland-Pfalz gelegenen US-Militärflughäfen Ramstein und Spangdahlem 
stattfinden.
 Nach den Unterlagen, die das Verlegungsprogramm und die Ausschreibungen zu Spangdahlem 
und Ramstein enthalten, wird eines schnell deutlich: Es geht nicht um irgendwas. 
Gebaut werden sollen die größten Start- und Landebahnen in Europa. 
Es geht darum, dass ein zentraler Punkt bei der Kriegsstrategie der USA entstehen 
soll: Spangdahlem als Lagerstätte für Munition und Treibstoff, und Ramstein 
als Personaldrehkreuz – für die „Kriege der Zukunft“.
 
 Alle im Rhein-Main-Gebiet, die hier vielleicht dem St-Florians-Prinzip folgend 
sich sagen, nach dem Ausbau der Militärflughäfen in Ramstein und Spangdahlem 
sind wir wenigsten die Militärmaschinen los, werden sich noch wundern: In 
Krisen- und Kriegszeiten gelten andere Gesetze und falls notwendig wird es stets 
auch die Einbeziehung von Zivilflughäfen und wird es ggf. die Auslagerungen 
auf andere Standorte geben. Rhein-Main wird da immer eine wichtige Option bleiben.
 
 In nächster Zeit werden wir jedenfalls noch reichlich Gelegenheit haben die 
sich gegen den Ausbau der rheinland-pfälzischen US-Stutzpunkte wehrenden 
Menschen zu unterstützen. Es hat sich kürzlich ein „Netzwerkes 
gegen Militärstandorte und deren Auswirkungen“ gegründet. Da sind 
ganz sicher weitere Aktive herzlich willkommen.
 Bei den bisherigen Treffen kamen durchaus schon sehr heikle Punkte zur Sprache, 
die sicher auch die Anwohner in den hiesigen Flughafenanrainergemeinden interessieren 
wird: Seit dem Golfkrieg 1991 kommt in den US-Militärmaschinen ein neuer 
Treibstoff zur Anwendung. Dieser Treibstoff – er heißt JP8 – 
ist hochgiftig. Das Besondere an dem neuen Treibstoff ist, dass er weniger leicht 
explodiert und die Piloten im Falle eines Absturzes eine höhere Überlebenschance 
haben.
 
 Die Abgase stehen jedoch im Verdacht für erheblich ansteigende Krebsraten 
verantwortlich zu sein. Auch die Anwohner in Spandahlem und Ramstein berichten 
davon, dass seit einigen Wochen, wie schon zu Zeiten des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 
1999, ein Höhlenlärm herrscht – und der steht mit Blick auf den 
hochgiftigen Treibstoff nicht nur für eine auf Hochtouren laufende Kriegsvorbereitung. 
Sondern auch für tödliche Gefahren in der Umgebung der Flughäfen.
 
 
 II. Vom guten Kunden 
zum grausamen Diktator
 
 „Der Irre von Bagdad“, ein „neuer Hitler“, „der 
gefährlichste Mann der Welt“. An besonders drastischen Formulierungen 
hat es in Bezug auf Saddam Hussein in den letzten Jahren nicht gefehlt.
 Als amnesty international in den achtziger Jahren in seinen Länderberichten 
darauf hinwies, dass das zu dieser Zeit große Unterstützung seitens 
des Westens erfahrende Regime Saddam Husseins für schwerste Menschenrechtsverletzungen 
verantwortlich ist, waren derartige Schlagzeilen in der internationalen Presse 
nicht zu lesen.
 
 Auch als in Halabja und anderen Orten im Nord-Irak das Regime Giftgas gegen Kurden 
einsetzte, dessen Einsatz erst durch die Geschäfte deutscher Firmen möglich 
geworden war, waren die oben genannten Einschätzungen nicht zu hören.
 
 Im Gegenteil. Bis zum Golfkrieg im Januar 1991 war der Irak ein guter Kunde, sowohl 
für US-amerikanische als auch für europäische Firmen. Nicht zuletzt 
mit Duldung und Billigung staatlicher Stellen erfolgte eine Aufrüstung in 
ganz großem Maßstab.
 
 Und es waren eben nicht illegale Geschäfte, sondern zumeist ganz legale, 
von Behörden genehmigte, die Saddam Hussein zu einem über C- und B-Waffen 
verfügenden Kriegsherren machten. Dabei waren die Geschäftspartner auf 
deutscher Seite keineswegs kleine Klitschen, sondern gehören eher zum Who 
is who der hiesigen Industrie:
 AEG, Degussa, Faun, Ferrostahl, Fritz Werner, Hochtief, Klöckner, Magirus 
Deutz, MAN, MBB, MTU, Preussag, Rheinmetall, Siemens, Thyssen, Wegmann, Züblin 
... die Liste der an das Regime von Saddam Hussein unter Beteiligung deutscher 
Firmen gelieferten Rüstungsgüter, oder die Beteiligungen beim Bau von 
Bunkern und militärischen Forschungsanlagen hier im Detail dar zu legen, 
würde viel Platz in Anspruch nehmen. Mehr als 150 kleine und große 
deutsche Firmen haben nach dem Krieg gegen den Iran (1980-88), nach dem Einsatz 
von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung, mit dem Regime in Bagdad gute Geschäfte 
gemacht.
 
 Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten: Ob Ausbildung von sog. Anti-Terror-Einheiten 
durch den Bundesgrenzschutz, die Lieferung von Grundstoffen der Nervengasse Tabun 
und Sarin, Offerten für den Bau eines schlüsselfertigen Chemiewerkes 
oder von Labors zur Herstellung von B- und C-Waffen – es fehlt hier kein 
noch so heikles Abkommen oder Geschäft; und die meisten dieser Deals wurden 
von den staatlichen Genehmigungsbehörden großzügig durch gewunken.
 
 
 III . Defensive Interventionen 
und offensive Anti-Kriegs-Proteste
 
 Ende letzter Woche veröffentlichte die New York Times ein Strategiepapier, 
über das demnächst die beiden Kammern des US-Kongresses abstimmen sollen. 
Die neue „Nationale Sicherheitsstrategie“ setzt auf Erstschlag statt 
Abschreckung, reklamiert das Recht auf einen Präventivschlag – steht 
für ein neues Kapitel US-amerikanischer Außenpolitik.
 
 Die Militärstrategen proklamieren in dem neuen Papier nicht nur das Recht 
auf Präventivschläge – als vorbeugende Maßnahme gegen eine 
sich eindeutig abzeichnende Aggression. Sondern sie beharren auch darauf Präventivkriege 
zu führen, die mögliche aber nicht eindeutig nachweisbare Gefahren im 
Keim ersticken sollen. Dies ist nicht nur deshalb fatal, weil das Völkerrecht 
solche Kriege verbietet, und das internationale Recht kurzerhand beiseite geschoben 
wird, sondern auch, weil die gegenwärtige US-Regierung versucht sich hiermit 
eine Art Blankoscheck für künftige militärische Interventionen 
in der ganzen Welt auszustellen.
 
 Gleichzeitig betont die Bush-Administration, sie würde sich von der UNO nicht 
von ihrem Recht auf „defensive Interventionen“ abhalten lassen, so 
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wörtlich.
 
 Gegen diese Art sog. „defensive Interventionen“ bedarf es dringend 
„offensiver Proteste“ – das heute sollte dabei nur ein Anfang 
sein.
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