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Handlanger Washingtons
Harald Neuber junge Welt 6. Oktober 2004


In mehreren europäischen Städten machen Antikommunisten gegen die kubanische Regierung mobil. Hinter den politischen Aktionen steckt System

Der ehemalige tschechische Präsident Václav Havel weiß, wie Politik inszeniert werden muß. Als gelernter Theaterdramatiker und bewährter Antikommunist stand er in der ersten Reihe, als sich am 18. September Gesinnungsgenossen in Prag trafen, um den „friedlichen Übergang Kubas zur Demokratie“ zu beraten. Neben der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright war in Prag auch der SPD-Abgeordnete Markus Meckel zu Gast. Zu den kurzfristigen Zielen hatten die prominenten Kuba-Gegner schon im vergangenen Jahr die Etablierung eines europäischen Fonds zur Finanzierung politischer Aktionen erklärt. Langfristig, so gab man auch in diesem Jahr in Prag bekannt, will man „Finanzmittel und Informationen für Aktivisten in Kuba kanalisieren“. Es mag paradox wirken, wenn ausgediente Politiker wie Havel und der in Spanien abgewählte José Maria Aznar die kubanische Regierung als „Relikt des vergangenen Jahrhunderts“ bezeichnen, der Kontext des Treffens war aber durchaus ernst zu nehmen. Es reihte sich in eine Serie antikubanischer Aktionen ein, die von der US-Regierung zunehmend gefördert werden.


Millionenfonds für Umsturz

Als Anfang Mai der 500 Seiten starke sogenannte Powell-Bericht zum Regimewechsel in Kuba an den US-Präsidenten übergeben wurde, gab der damalige Lateinamerika-Beauftragte der Bush-Regierung, Roger F. Noriega, die konkreten Zahlen des Destabilisierungsprogrammes bekannt. Neben den bis dahin jährlich veranschlagten sieben Millionen US-Dollar wurden zusätzliche 29 Millionen zum Kampf gegen den kubanischen Sozialismus freigegeben. Weitere fünf Millionen sollen laut Noriega allein „für Bestrebungen verwandt werden, die Öffentlichkeit über die Beherbergung von Terroristen, die Unterdrückung von Menschenrechten und Spionage gegen andere Staaten durch das (kubanische) Regime zu unterrichten“. Zusammen mit einem 18-Millionen-Dollar-Etat für Propagandasendungen nach Kuba läßt sich die US-Regierung die verschärften Maßnahmen inzwischen mindestens 59 Millionen US-Dollar kosten. Nicht immer wird erklärt, wohin die Mittel genau fließen.


Gefährliche Kooperation

Offensichtlich aber ist, dass mit der Bekanntgabe des US-Planes „für ein freies Kuba“ Anfang Mai auch die Kampagnen in Europa ausgedehnt wurden – mit unterschiedlicher Resonanz. So arbeitet die französische Gründungssektion der Presseorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) auf Initiative ihres Chefs Robert Ménard inzwischen offen mit Kräften des kubanischen Exils in den USA zusammen. Wie die US-Tageszeitung Miami Herald bereits im September 2003 berichtete, publizierte der RSF-Chef damals in Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Aktivisten des kubanischen Exils in den USA Propagandamaterial in mehreren Sprachen. Ziel war es, den internationalen Kuba-Tourismus zu schädigen. Mit ihrem herausragenden Engagement steht die französischen Sektion der „Reporter ohne Grenzen“ im internationalen Verband relativ alleine dar, was nicht zuletzt den „guten“ persönlichen Kontakten Ménards zur extremen Rechten des US-kubanischen Exils geschuldet ist. Auch die Lateinamerika-Koordinatorin der katholischen Hilfsorganisation Pax Christi in den Niederlanden, Liduine Zumpolle, unterhält enge persönliche Kontakte zu kubanischen Oppositionsgruppen. Auf der Internetseite der niederländischen Sektion wird unter anderem die „Christliche Befreiungsbewegung“ des Castro-Gegners Osvaldo Payá als Kooperationspartner genannt. Payá wird seit etwa zwei Jahren von antikubanischen Organisationen hofiert. Im Dezember 2002 sorgte die Verleihung eines Menschenrechtspreises der EU für einen Eklat, weil dies gegen den Protest großer Teile des EU-Parlaments durchgesetzt wurde.


Dialog statt Hetze

Auch die Solidaritätsbewegung mit Kuba bestätigt die Zunahme der politischen Attacken gegen Havanna. „Während etablierte Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (ai) durchaus zum Dialog über Menschenrechte in Kuba bereit sind, geht es Organisationen wie der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Teilnehmern des Prager Treffens allein um die Delegitimierung der kubanischen Regierung“, meint Reinhard Thiele von Cuba sí, der Arbeitsgruppe bei der PDS. Zwar sei man mit der Art der Kritik von ai nicht immer einverstanden, „aber in den ai-Berichten werden immer auch die mittel- und unmittelbaren Auswirkungen der US-Blockade gegen Kuba erwähnt“, sagte der Cuba-sí-Sprecher gegenüber junge Welt. Ein Kontext, der bei anderen vermeintlichen Menschenrechtsorganisationen völlig fehlt. Cuba sí wie anderen Solidaritätsorganisationen geht es dabei keineswegs um ein unkritisches Verhältnis. „Im Dialog mit kubanischen Partnern spielen Probleme des Alltags durchaus eine Rolle“, erklärte Thiele. Allerdings versuche man, die Probleme gemeinsam zu diskutieren. Im Namen der Menschenrechte. Nicht im Namen Washingtons.
 6. Oktober 2004