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Soziale Grundsicherung
Marga Elser 27. Juni 2002


Offener Brief vom 27. Juni 2002 an Landrat Dr. Roland Würz

Sehr geehrter Herr Dr. Würz,

mit diesem Brief möchte ich mich an Sie wenden, um Sie über das „Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ näher zu informieren und eventuelle Missverständnisse frühzeitig auszuräumen. Wie ich der Heidenheimer Zeitung vom 25. Juni 2002 entnehmen konnte, haben Sie sich vor dem Kultur- und Sozialausschuss des Kreistages skeptisch gegenüber dem Gesetz gezeigt. Ich hoffe, Ihnen im folgenden deutlich machen zu können, dass dieses Gesetz ein sozialpolitischen Fortschritt insbesondere für alte Menschen ist und auch für die kommunalen Verwaltungen keine zusätzlichen Belastungen mit sich bringt.

Im Rahmen des „Altersvermögensgesetz“ zur Reform der Alterssicherung in Deutschland haben SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN mit der bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, Altersarmut und die Armut von dauerhaft erwerbsunfähigen Personen erfolgreich bekämpfen zu können. Nach diesem Konzept ist die soziale Grundsicherung eine bedarfsorientierte (d.h. einkommens- und vermögensabhängige) und steuerfinanzierte Geldleistung, die bei Alter und Invalidität gezahlt werden soll, um den notwendigen Grundbedarf in pauschalierter Form abzudecken, ohne dass Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muss, wenn und soweit die Leistungen der Rentenversicherung hierzu nicht ausreichen.

Damit ist klargestellt, dass die soziale Grundsicherung nicht an die Stelle des sozialen Sicherungssystems und der Sozialversicherung treten soll, sondern lediglich gewährleistet, dass insgesamt mindestens der Sozialhilfebedarf abgedeckt wird.

Vor dem Kultur- und Sozialausschuss haben Sie, sehr geehrter Herr Dr. Würz, vorgebracht, die Grundsicherung würde zu nicht akzeptablen Kostenbelastungen der Kommunen führen. Nach Ihren Berechnungen kämen Mehrkosten von rund einer Million Euro auf den Landkreis pro Jahr zu. Zunächst einmal ist diese Zahl von vielen Faktoren abhängig, die man zum jetzigen Zeitpunkt nicht umfassend voraussehen kann.
Grundsätzlich ist das Gesetz der Regierungsfraktionen aber so gestaltet, dass es erstens zu keinen verwaltungsbedingten Mehrkosten kommt und zweitens entstehende zusätzliche Kosten durch den Bund erstattet werden.

Wichtig ist, dass der Bund den Ländern diejenigen grundsicherungsbedingten Mehrausgaben erstattet, die aufgrund des Wegfalles des Unterhaltsrückgriffes auf Kinder und Eltern, der Kosten für Gutachten über das Vorliegen dauerhafter Erwerbsminderung, der Ausgaben der Sozialämter, wenn gegenüber Grundsicherungsberechtigten zusätzliche, über die Pauschalierung der einmaligen Leistungen hinausgehende Bedarfe an einmaligen Leistungen abgedeckt werden, entstehen. Dafür stellt der Bund den Ländern jährlich 409 Mio. Euro zur Verfügung. Um Befürchtungen der Kommunen zu begegnen, die Unterstützung des Bundes reiche nicht aus, hat der Bund nach Verhandlungen im Bundesrat die ursprünglich angesetzten 300 Mio. Euro auf den jetzigen Betrag um rund 100 Mio. Euro erhöht. Ob dieser Betrag ausreicht, wird regelmäßig kontrolliert werden. Jedes Land hat seinen Anteil an diesem Gesamtbetrag an die jeweiligen Grundsicherungsträger im Land zu verteilen, also auch entsprechend an den Kreis Heidenheim.

Was den Personalbedarf und den Verwaltungsaufwand angeht, so ist sogar mit Einsparungen zu rechnen, weil:

aufgrund der pauschalierten Auszahlung der einmaligen Leistungen sowie aufgrund des Wegfalles des Unterhaltsrückgriffes Verwaltungsvereinfachungen und damit Einsparungen zu erwarten sind. Dies gilt um so mehr, als ein Großteil derjenigen Personen, die künftig Grundsicherung beantragen, bislang Sozialhilfe erhalten hat und dann im Rahmen der Sozialhilfe i.d.R. nicht mehr betreut werden muss und das Gesetz die Einrichtung neuer Behörden nicht vorsieht. Der Bund hat auf die organisatorische Umsetzung der Grundsicherung auf kommunaler Ebene keinen Einfluss.

Aufgrund dieser umfassenden Berücksichtigung kommunaler Interessen bin ich zuversichtlich, dass es nicht zu den befürchteten Kostenbelastungen durch die Einführung der Grundsicherung kommen wird.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Marga Elser MdB
 27. Juni 2002